Review

The Lemon Twigs

Everything Harmony

Captured Tracks • 2023

Als die Brüder Michael und Brian D’Addario 2016 mit ihrem ersten richtigen Album »Do Hollywood« mit einem Knall auf der Bildfläche erschienen, waren beide noch keine 20 Jahre alt und die abgedroschene Zuschreibung der musikalischen Wunderkinder ob ihres perfekten Retro-Sounds schnell bei der Hand. Ein Musical über einen jugendlichen Affen, der in der Menschenwelt aufwächst, war das launige zweite Album, nach dem 2020 »Songs For The General Public« wieder ohne Konzept auskam. Das vierte Werk »Everything Harmony« assoziiert nun auch wieder frei zwischen 60ies Westcoast Pop, 70er-Radio-Hits und College-Rock der 90er, zwischen den Gesangsharmonien der Beach Boys und von Simon & Garfunkel, zwischen dem feinen Fingerpicking von Nick Drake und dem Streicher-Bombast einer Elton-John-Ballade. Technisch auf höchstem Niveau und vor Ideen nur so sprühend sind auch die 13 neuen, überaus eingängigen Songs. Recht vage werden universelle Themen verhandelt, wobei ganz klar schon immer der Sound und nicht so sehr die Texte zu überzeugen wussten. Mit ihrem inzwischen bewährten Pastiche-Ansatz versuchen The Lemon Twigs zeitlose, allgemeingültige Songs zu schreiben, wobei es wie in »Ghost Run Free« auch mal den Anschein haben kann, als ob eine Byrds-Strophe mit einem Refrain von Teenage Fanclub kollidiert. Dass man die Vorbilder so klar und deutlich heraushört, kann natürlich auch als Manko, als fehlende Eigenständigkeit gewertet werden – trotzdem bleibt »Everything Harmony« ein kurzweiliger Spaß.