Review

The Weeknd

After Hours

Republic • 2020

Wer die Liebe nicht in sich selbst sucht, wird sie bei anderen nicht finden. Bei The Weeknd, der nach dem großen R&B-Re-Branding um die »Balloons«-Trilogie zu Beginn des letzten Jahrzehnts und spätestens ab »Can’t Feel My Face« um 2012 unbedingt Pop-Star sein wollte, ist das besonders dramatisch, da er den entscheidenen künstlerischen Definitionsmoment für die Weltkarriere bislang nicht gestemmt bekam. Trotz Gastauftritten bei Lana Del Rey Beyoncé oder Ed Sheeran, trotz Beihilfe von Diplo Daft Punk und Eminem Denn The Weeknds Problem war, er wollte bemitleidet, ja irgendwie gemocht werden. 2020 dann zwischen einer Playlist- und Tiktok-versessenen Musikindustrie mit einem Konzeptalbum wie »After Hours« anzukommen, ist dann in der Tat irgendwie bemitleidenswert, erweist sich für den 30-Jährigen aber als dringlichen Schritt zur Selbstannahme. Denn anstatt den unmöglichen Querschnitt seiner vielen Gesichtern auf Produktionen von Langzeitpartner Illangelo oder Pop-Titan Max Martin auszubilden, collagieren sich die Facetten von The Weeknd auf der vierten LP zu einer hässlichen Cyber-Pop-Fratze. The Weeknds bereits bekanntes Narrativ aus Hedonismus, Depression und Drogenmissbrauch verwickeln sich entsprechend in nicht neuen, aber süßen R&B-Fäden, Dark-Wave-Melancholie oder Achtziger-Sternenhimmel-Synthies. Doch »After Hours« ist kein Pop-Blockbuster, eher ein Audio-Autorenfilm, ein Pop-Noir-Kunststück, ja der Soundtrack zum Südenpfuhl Los Angeles und letztlich eine Ode an das Rockstar-Leben aus überzogener Konsumfreude, Todessehnsucht und der berauschten Einsamkeit in der Hotelsuite. Hier, in der Verheißung der Afterhour, hat Weeknd einst die Liebe gesucht. Und letztlich sich selbst gefunden.