Review

Turbostaat

Abalonia

Staatsakt • 2016

Ließen sich die Turbostaat noch nie so recht dem Punkrock-Genre zurechnen, definieren sie auf ihrem sechsten Studioalbum »Abalonia« ihre eigene Nische in einem nie dagewesenen Maße aus und bleiben doch auch im 17. Jahr ihres Bestehens unverkennbar Turbostaat. Eingebettet in ein erweitertes musikalisches Korsett voller aufgebrochener Konventionen, erzählt Sänger Jan Windmeier auf zehn Tracks die Geschichte des fiktiven Charaktes Frau Semona, die sich auf die Suche nach dem Sehnsuchtsort »Abalonia« begibt. Auf dem abstraktesten Turbostaat-Album bisher, brechen die Norddeutschen mit klassischen Strophe-Refrain-Strophe-Aufbau, ihre Geschichten betten sie stattdessen in einen mit Brüchen versetzten strukturellen Rahmen, dessen Trademarksound von druckvollen Drums, prägnanten Bass und Windmeiers unverwechselbarem Gesang gar mit Noise- und Wave-Elementen angereichert wurde. Weiter entfernt von ihrem Erstling »Flamingo« sind Turbostaat musikalisch noch nie gewesen, ihre ureigene Interpretation von Punkrock bleibt jedoch nach wie vor zu hören. Die bemerkenswerteste Fähigkeit der Band jedoch, war es schon immer, eine düstere Atmosphäre zu kreieren, die trotz der unverkennbaren Schwere stets gleichermaßen Optimismus zu verbreiten wusste. Bei Turbostaat blieb die Hoffnung stets bis zum Ende am Leben. Diese Fähigkeit weiß die Band weiterhin musikalisch wie auch textlich einzubringen. Gewohnt persönlich und politisch, meist abstrakt, stellenweise auch direkt: “Im Dunkeln liegt die Oper / Die Stadt doch viel zu nett / Für die hässlichsten Gedanken in euch“. Flüchtlingskrise und Pegida-Bewegung dienen hier jedoch nicht allein als Gegenstand der Kritik, sondern auch als Beispiel für die großen und immer wiederkehrenden Themen Hass, Angst, die Suche und das Finden. Mit »Abalonia« bezieht die vielleicht wichtigste deutsche Punkrockband Stellung zu aktuellen Ereignissen und ewig jungen Fragen, auf die ihr eigenen Art.