Review

Web Web X Max Herre

Web Max II

Compost • 2023

Feuilleton, halt’s Maul! Verirrt sich mensch doch mal auf unter dem TikTok-Hashtag #jazztok, versammeln sich jede Menge junge Menschen um Miles, Herbie oder Chick als wäre es nicht 2023, sondern 1969. Daher ist es eigentlich absurd, dass das Jazz-Dreamteam Web Web & Max Herre mit seiner universalistischen Nowstalgia hier nicht auftaucht. Schon ihre erste Zusammenarbeit »Web Max I« hatte 2021 alle Insignien für einen Viral: Psychedelisches wie Sun-Ra, Nachtzug-Bebop wie Mulligan, Pop-Appeal wie bei Alain Goraguer. Auf »Web Max II« wird es nun intimer. Ausgehend von der Schlüsselfigur »Fellow Travellers« und der Exotica-Verneigung »La Planète Fantastique« (mit Carlos Niño) wird die locker-listening Stimmung ihres Erstlings modal wie spirituell erweitert. Roberto Di Gioia und sein Ensemble verarbeiten auf »Web Max II« (Eigen-)Zitate von gestern, Chiffren von heute und Inspirationen aus der vielleicht besten Jazz-Epoche, zwischen 1960 und 1970. Schon wieder relativiert TikTok: Gestern, heute, was heißt das eigentlich noch?! Denn nicht zufällig, aber mit Zugänglichkeit und, naja, Zeitgeist spielt hier Max Herre mit. Aber nicht als Rapper, sondern Co-Pianist, -Writer und nicht zuletzt Multiplikator für eine Generation, die Jazz längst nicht mehr als Altherren-Gedeck betrachtet. Der deutsche Q-Tip? Vielleicht. (Das rot-schwarz-grüne Cover von Jan Steins schickt ein passendes 👋-Emoji.) Mit dem Know-How von echten deutschen Jazz-Ikonen im Line-Up und Sample-Wissen aus dem 90er-HipHop holt »Web Max II« den Ansatz des „Church Of Sound“-Umfelds und der einstigen Brainfeeder-Bubble endlich nach Germany. Der Vergleich ist unfair, aber: Web Max macht Schmetterlinge im Bauch.