Review

Pauline Oliveros + Musiques Nouvelles

Four Meditations / Sound Geometries

Sub Rosa • 2016

Als vor nicht allzu langer Zeit über RVNG Intl. das Album »Breadwoman & Other Tales« von Anna Holmer & Steve Moshier veröffentlicht wurde, weckte das zwickende Zweifel: Die Geschichte klang zu abstrus, um nicht ausgedacht zu sein. Anders Pauline Oliveros: Die nämlich kann sich niemand ausdenken. Ähnlich wie die Brotbehangene Konzeptfigur mit der skurrilen Backstory jedoch scheint Oliveros im Stück »Four Meditations« jedoch in Zungen sprechen. Ein undurchdringlicher, rhythmisch-affektiver Scat-Gesang, der hier einen isländischen Akzent mitzunehmen scheint und dort dann doch wieder bekannte Worte formuliert. Irgendwann schält sich nämlich erkennbare Sprache aus dem Silbendurcheinander, welches das belgische Orchester Musiques Nouvelles mit einem zwar noch größeren, aber ungleich dezenterem Durcheinander begleitet. Vom Träumen und Reisen, Ichsein und Dusein spricht Oliveros – passender Weise in mehreren Sprachen, hauptsächlich aber Englisch und Französisch. Irgendwo zwischen der säuerlichen Atmosphäre Schönbergscher Zwölftonmusik und dem strukturierten Chaos eines Xenakis bewegt sich die Musik, vor der die Komponistin verbal in Szene setzt, und weiß sich doch zurückzuziehen, um der großartigen Performance Vortritt zu lassen. Anders das mit 25 Minuten etwas längere Stück »Sound Geometries«, in welchem die menschliche Stimme nur als Scheinecho wiederkehrt: Zum expressiven Finale hin scheinen die Bläserklänge ihren ganz eigenen Zungenschlag zu entwickeln. Eine Täuschung von vielen, denn »Sound Geometries« trägt diesen Titel nicht ohne Grund: Das von Oliveros entwickelte Expanded Instrument System verteilt die abgenommenen Einzelinstrumente nach geometrischen Mustern über ein 5.1-System. Das Ergebnis klingt nach einem umso größeren Chaos – und nach viel, viel Spaß.