Zugegeben, es ist ein wenig großspurig, bei dieser Sammlung von einer 53 Jahre umfassenden Anthology zu reden. Das erste Stück auf dieser geballten Compilation, Bülent Arels »Postlude from Music for a Sacred Service«, stammt zwar aus dem Jahre 1961. Danach ergibt sich jedoch eine lange, gähnende Leere bis ins Jahr 1994. Nur vier der 29 Titel, die sich auf der 2LP finden, sind überhaupt vor dem neuen Millennium entstanden. Auch wenn Sub Rosa mit dieser Zusammenstellung den ersten offiziellen Schritt wagt, die experimentelle Musikszene der Türkei zu verorten, hätte doch ein kurzer Blick auf das 2012 vom Istanbuler DJ Mr. Zula veröffentlichte Mixtape »A Trip To Turkish Electronic Music History (1961 – 1983)« gereicht, um die wirklich schmerzenden Lücken zu füllen. So ist die Compilation vielmehr ein sehr aktueller Abriss der jungen türkischen, elektronischen Musikszene seit 2010. Sieht man von diesem konzeptionellen Fauxpas ab, findet man jedoch eine sehr diverse Werkschau an Klangexperimenten, die von Sinuskurven-Kräuseln und Ringmodulator-Hacks, über mutierte Field Recordings und Electronica-Spiele bis zu Filterbanken-Schlachten führen. Etwas wirklich eigenständiges im Sinne eines Lokalkolorits findet sich zwar nur selten. Die größtenteils unveröffentlichten Stücke beweisen dennoch, wie weltoffen und progressiv die Türkei kulturell und künstlerisch seit eh und je ist. Da kann die politische Elite noch sehr den ideologischen Hammer schwingen.
An Anthology Of Turkish Experimental Music 1961-2014