Review

Roedelius & Muraglia

Ubi Bene

Passus • 2015

Zwischen leicht und belanglos passt bei Musik nicht eben viel. Anders gesagt: Leichte Musik ist schwer. Wenn man mit über achtzig Jahren sich noch einer produktiven Kraft erfreuen kann, wie sie Hans-Joachim Roedelius an den Tag legt – natürlich wohl befeuert vom Interesse einer jungen Hörerschaft, die dessen Beitrag zur elektronischen Musikgeschichte, ob mit Cluster, Harmonia oder solo neu entdeckt und würdigt – dann stehen die Chancen gut, diese Kurve zu kriegen. Dabei entspricht das, was er im Dialog mit Leon Muraglia in die Form eines Doppelalbums gießt, nicht unmittelbar allgemeiner Vorstellung von »leicht«. Die beiden schicken uns durchaus immer wieder ins Dunkle und Diffuse, zumal im längsten Stück, dessen surrealer Synth-Geisterwald am Ende noch mit einer feinen Pointe aufwartet. Aber zum einen ist ihr pastoraler Sound auch in den frei fließenden Stücken so meisterhaft ausgeformt, dass deren Entwicklungen zwangsläufig scheinen, man sich ihrem Lauf hingibt: Man fühlt sich aufgehoben, auch in den ins Ungewisse driftenden Momenten. Zum anderen beherrschen die zwei die Kunst des Framing: eine Handvoll freundlicher Kostbarkeiten an der richtigen Stelle ankern das Gemüt in Grundvertrauen, dass hier alles seine Ordnung hat. Zwei kurze Geschwister etwa, in denen Muraglias Gitarrengewebe zur Spieluhr-Miniatur mutieren oder im Verbund mit Roedelius‘ Piano an die lyrischen Song-Momente bei Brian Eno anknüpfen. Überhaupt das Piano: Spätestens in der unverstellten Siebziger-Filmthema-Träumerei von »She Had Always Loved Vienna« wird deutlich, dass diese vornehm einfache Hauptstimme der Klangwelt von Hans-Joachim Roedelius wohl schon lange einen Spiegel in jener von Ryuichi Sakamoto findet. Vor allem aber trägt diese Musik fort, erzählt von der Ferne, ob in den typischen, flügelschlagenden Tönen, die im Hintergrund über den Himmel ziehen genauso wie im knarzfahnigen, voranpflügenden Krautrock-Beat. Leon Muraglia, der in London vor zwanzig Jahren den Kosmische Club gründete, lebt seit zehn Jahren in Norwegen, neben der Elektronik ist die Gitarre sein Instrument. Bevor er sich gegen Ende unvermutet noch als Vini Reilly verkleidet in knitternde Schatten hüllt, hat das kurioseste der zwölf Stücke noch einen besonderen Bruch auf Lager, denn plötzlich hat das Piano eine Melodie voll weserbergländischer Wanderlust auf den Lippen. Zufall, dass die nach einem von Edvard Griegs Norwegischen Tänzen klingt, oder vielleicht ja doch ein Gruß an Muraglias Wahlheimat. Wobei wir beim Albumtitel wären: »…ibi patria« geht der Satz bei Cicero bzw. Aristophanes weiter, und den dürfen wir in diesen Tagen gerne als Erinnerung daran lesen, dass der Mensch nun eben darum Beine unten dran hat, damit er sich da hinbegeben kann, wo es ihm gefällt.

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