Synkro & Indigo – Zusammentreffen in der kollektiven Mitte

10.10.2013
Foto:Jody Hartley
Mit einer breiten Flut von Releases haben die vielschichtigen Produzenten Synkro und Indigo ihre unterschiedlichen Einflüsse auf einen gemeinsamen Nenner bringen können und umgehen damit bewusst jede Fixierung auf bestimmte Stilrichtungen.

»But this is Manchester, we do things differently here«, soll Factory Records Gründer Anthony H. Wilson einst gesagt haben. Dass dieses Zitat immer noch aktuell ist, verdeutlicht sich an dem subversiven und vielfältigen Einfluss, den die Stadt seit geraumer Zeit wieder auf die elektronische Musikszene Großbritanniens ausübt. Mit dafür verantwortlich sind die Produzenten Joe McBride und Liam Blackburn. Unter den Künstlernamen Synkro und Indigo produzieren sie polarisierende Musik, in unterschiedlichen Stilen und Tempos. »Während Joe seinen Ursprung im UK Garage und Drum’n’Bass hat, komme ich eher aus der Richtung Techno«, beschreibt Liam die unterschiedlichen Einflüsse. Dabei haben die beiden Produzenten auf einer Vielzahl von Labels wie Apollo und Exit Records unter Beweis stellen können, dass sie sich sich nicht von Genregrenzen einengen lassen, sondern diese Strömungen mal auf optimistische oder unterkühlte, mal auf reflektierte oder aggressive Weise zu einem neuen Ganzen kombinieren wollen. »Ich würde Liams Musik als tiefgreifend und düster beschreiben. Fast so, als ob die Maschinen und Beats, die er verwendet, sich in einem akustischen Kampf gegenüberstehen«, fasst Joe »Synkro« die charakteristischen Merkmale der Musik seines Kollegen zusammen. »Joes Musik klingt für mich hingegen euphorisch, und zwar auf eine sehr gediegene und reife Art. Er kann in seinen Tracks Emotionen ausdrücken, wie es mir nicht unbedingt möglich ist. Aber wir passen da gut zusammen und es lässt in Kombination miteinander eine ganz neue Dimension entstehen«, erläutert Liam Blackburn die Grundlage für die gemeinsame musikalische Kollaboration.

»Nachdem das Haçienda schließen musste, war Manchester erst einmal für den Indie-Sound um Oasis bekannt. Das hat die Szene lange dominiert. Jetzt gerade erscheint es daher auf einmal wie eine Wiedergeburt der elektronischen Musik, obwohl es sie hier immer gegeben hat.«

Synkro
Aufgewachsen in einem ähnlichen Umfeld, zwischen rotem Backstein und Fabrikgebäuden an den gegenüberliegenden Seiten der ehemaligen englischen Industriestadt, wurde Synkro im Jahr 2008 auf Indigo aufmerksam gemacht, welcher gerade das Mindset Label gegründet hatte. Für ein erstes Zusammentreffen wählten sie den Underground-Plattenshop Eastern Bloc Records im gemeinsamen Zentrum der Stadt, wo sie sich auch musikalisch in der kollektiven Mitte entgegenkamen. Dies verdeutlicht sich auch anhand der unterschiedlichen lokalen Vorbilder, welche die beiden als bedeutende Einflüsse auf ihre Musik nennen, darunter Skam Records, die Warp-Pioniere von Autechre und Boards of Canada, Andy Stotts Techno um das Label Modern Love, UK Garage von Zed Bias und natürlich auch »Madchesters« Acid House Revolution um A Guy Called Gerald und den Club Haçienda. »Nachdem das Haçienda schließen musste, war Manchester erst einmal vor allem für den Indie-Sound um Oasis bekannt. Das hat die Szene lange dominiert. Jetzt gerade erscheint es daher auf einmal wie eine Wiedergeburt der elektronischen Musik, obwohl es sie hier immer gegeben hat«, beschreibt Joe McBride das aktuelle internationale Interesse an der lokalen elektronischen Musikszene. Dem möchte sich auch Liam anschließen: »Die Musik hier ist für mich um einiges natürlicher, wahrer und, gar nicht mal in einem elitären Sinne gemeint, ehrlicher. Jeder macht sein eigenes Ding und jeder kennt jeden. Es hat etwas sehr familiäres und schafft einen freundschaftlichen Wettbewerb ohne direktes Konkurrenzverhalten.«

Diese Form der Zusammenarbeit möchten die beiden ebenfalls auf ihren gemeinsam betriebenen Labels Mindset und EMF fördern, auf denen sie auch anderen Musikern die Möglichkeit bieten, sich auf eine spannende und experimentierfreudige Art mit diversen Genres der elektronischen Musik auseinanderzusetzen. Dabei ist ihnen ein freundschaftliches Verhältnis mit den darauf vertretenen Musikern ebenso wichtig wie die gemeinsame musikalische Wellenlänge, wie Liam das zugrundeliegende Konzept erläutert: »Es hat seine Zeit gedauert, bis wir unseren Sound gefunden haben und wir haben uns diese Zeit bewusst genommen. Mindset war ursprünglich ein Label für meine eigenen Tracks und die meiner Freunde. Es hat sich dann weiterentwickelt und ist allmählich gewachsen, je mehr Leute wir getroffen haben.« Bei ihren Clubnächten oder auf Festivals wollen Joe und Liam den Labelkatalog auch einem internationalen Publikum zugänglich machen und die darauf vertretenen Künstler als individuelle Einheit präsentieren. Darüber hinaus widmen sie sich als Synkro und Indigo jedoch auch weiterhin ihren ambitionierten, eigenständigen Klangkonzepten. Als nächstes großes Projekt bereiten sie beide zur Zeit ihre ersten Solo-LPs für Apollo Records vor.