Review

Ak’Chamel, The Giver Of Illness

The Totemist

Akuphone • 2020

Irgendwo im Nirgendwo von West-Texas, an der Grenze zu Chihuahua liegt die Geisterstadt Terlingua. Ein Minenarbeiterort, der Ende des 19. Jahrhunderts durch die Entdeckung von Zinnober entstand, aus dem wiederum das während des Ersten Weltkrieges strategisch wichtige Schwermetall Quecksilber gewonnen wurde. Trockene Hitze glimmt hier über einem Totenacker, gesäumt von bescheidenen Etablissements, die Souvenirs und Erfrischungen für Durchreisende anbieten. Dazwischen liegen mexikanische Arbeiterfamilien unter dem Sand, Leichname von Kindern, die den toxischen Abbauprodukten zum Opfer fielen und an die kaum mehr als Gräber aus Stöcken und Steinen erinnern. »The Totemist«, das nunmehr zehnte Studioalbum von Ak’Chamel, wurde vor Ort aufgenommen und ist von der flirrenden Unwirtlichkeit dieser Einöde durchdrungen, atmet Sand und Sonne in einen Fiebertraum von ritueller Strahlkraft aus. Bislang nur durch schnell vergriffene Veröffentlichungen bei solch eigenwilligen Tape-Labels wie Already Dead, Centipede Farm, Jeunesse Cosmique oder Moon Glyph in Erscheinung getreten, ist »The Totemist« der erste LP-Release dieses Projekts, das dafür erneut den Beinamen The Giver Of Illness annimmt. Orientalische Kurzhalslauten, Rasseln und delirante Perkussion vermählen sich in »The Funeral Of A Woman Whose Soul Is Trapped In The Sun« oder »Protected By The Ejaculation Of Serpents« mit dämonischen Gesängen, Field Recordings und einer Meskalin-durchtränkten Atmosphäre, wie sie im Bereich Acid- und Avant-Folk mindestens seit den Master Musicians Of Bukkake nicht mehr zu hören war. Die ganze Vulgarität der Natur, die Omnipräsenz des Todes in unseren Leben, eine gnostische Realisation beider liegt über diesem Album. Ähnliche Inspirationen ließen auch schon die Sun City Girls oder die Secret Chiefs 3 in ihren rauschhaften Wüstenokkultismus einfließen, an den besonders der abschließende Rundgang durch den »Phallus Palace« erinnert. Musik für die Zeit nach der Endzeit.