Hiroshi Suzuki, der Unbekannte mit der Posaune

27.06.2021
1976 hat der japanische Posaunist Hiroshi Suzuki ein Album aufgenommen. »Cat«, das sich weniger durch Perfektion als durch einen feinen Groove auszeichnet, ging dereinst ein wenig unter. Nun kannst du es wiederentdecken.

Wer dachte, dass es nach dem 29. Oktober 1969 nicht mehr möglich wäre: Geirrt. Damals verkabelten sich zum ersten Mal zwei Computer per Telefonleitung. Der Anfang des Internets. Und eines Orts, an dem sich bald gefühlt alle Informationen finden lassen. Sieben Jahre später erschien mit »Cat« des Posaunisten Hiroshi Suzuki ein Geheimtipp – nicht nur des japanischen Jazz. Allerdings lassen sich im Internet, dort, wo sich noch die kenntnisreichsten Plattensammler austauschen, kaum Informationen zu Hiroshi Suzuki finden. Und auch nirgends sonst. Nicht einmal ein Interview. Die Suche nach einem fast Unbekannten.

Hiroshi Suzuki kam am 12. November 1933 in Yokohama zur Welt. Mit 38 Jahren zog es ihn die USA, um dort mit Bandleader und Schlagzeuger Buddy Rich zu spielen. Suzuki lebte zu dieser Zeit in Las Vegas. 1975 kehrte er nach Japan zurück und nahm dort mit früheren Weggefährten im Nippon Columbia Studio in Tokio vom 8. Oktober bis zum 10. Oktober die fünf Stücke von »Cat« auf. Als die Platte dann am 25. Februar 1976 erschien, interessierte sich kaum jemand dafür. Auch in Japan nicht. (Der Rest der Welt musste ja erst einmal die Fusion-Phase von Miles Davis verarbeiten.)

Und nun? Bereits 2015 veröffentlichte Columbia in Japan die Platte noch einmal neu, um seine bisher unbekannten Perlen einer größeren Öffentlichkeit nahezubringen. Mit überschaubarem Erfolg. In Frankreich erschien das Album bei Klimt vor zwei Jahren als LP, jedoch kritisierten mehrere Hörer die kaum überzeugende Tonqualität. Es folgt nun die offizielle Wiederveröffentlichung auf We Release Jazz die von den Originalmastern stammt.

Mit »Cat« hat Suzuki seiner eigenen Vision von Fusion Jazz einen Ausdruck verliehen, der sich weniger durch Perfektion als durch einen feinen Groove auszeichnet. Sein Posaunenspiel führt elegant durch die fünf Tracks. Selbst wenn in »Walk Tall« mal der Bass kurz in Schieflage gerät, rettet die Melodie das komplette Stück. Suzuki spielt mit seinen Soli überhaupt stets in den Diensten des gesamten Albums.

Dass die Stücke auf »Cat« und vor allem das entspannte Posaunenspiel von Suzuki nun vor ein paar Jahren gerade die Lofi-Beat-Szene entdeckte, wundert nicht wirklich.

Im Titelstück geht es mal mit der Posaune ein wenig in den Vordergrund, aber trotzdem ist alles auf diesem Album eine Einheit. Was eben an Suzuki liegt. Übrigens: Mit Hiromasa Suzuki spielt hier ein anderer, bekannterer Jazzmusiker aus Japan die Keyboards in der Rhythmusgruppe, der auch noch die eine oder andere Filmmusik komponierte. Und dessen Spuren im japanischen Jazz diverse Suchmaschinen als den deutlich populäreren Suchvorschlag auswerfen, wenn es eigentlich um Fakten zu Hiroshi Suzuki geht.

Dass die Stücke auf »Cat« und vor allem das entspannte Posaunenspiel von Suzuki nun vor ein paar Jahren gerade die Lofi-Beat-Szene entdeckte, wundert nicht wirklich. Und auch wer schon einmal eine der endlosen Zusammenstellungen auf YouTube mit Beats zum Studieren und Lernen gehört hat, wird mutmaßlich bereits ein Sample von diesem Album kennen.

Warum es jedoch für die Aufmerksamkeit der Jazzmagazine nicht reichte? Dafür ist Suzukis Wurf von Fusion vielleicht einfach zu geradlinig. Zu nah an den Vorbildern. (Und es gab eben noch nicht das Internet für die Verbreitung.) Doch es lässt sich definitiv Seele auf diesem Album finden, ein Groove, ein besonderes Spiel, das sich Hiroshi Suzuki zuordnen lässt. Was den Mythos, sofern man es so nennen möchte, dieses Albums ausmacht.

Reviews zum Künstler

Im Kontext seiner Zeit ist »Cat« ein typisches Jazz-Album für die Mitte der 1970er Jahre. Der Rhythmus, die Keyboards prägen gleichberechtigt neben Posaune und Saxofon den Sound. So pulsiert die Energie munter auf diesem Album. Durch den gefälligen Groove im Spiel von Hiroshi Suzuki kann diese Platte etwas unscheinbar wirken. Aber es bleibt dabei, dass sie zu den schönsten Alben des japanischen Jazz gehört.

Suzuki selbst hat mit diesem Album seine Spuren hinterlassen – wenn auch vor allem für Kenner. Was sich mit dem Reissue von »Cat« nun ändern könnte. Wer sich auf eine umfangreiche Diskographie mit Entdeckungen freut: Wieder geirrt. Am umfangreichsten ist noch Suzukis Schaffen mit der Formation The Freedom Unity. In dem Free Jazz fällt seine Posaune jedoch ziemlich ab. Vom Groove seines Albums »Cat« als Bandleader lässt sich da nichts hören. Nach den 1970er Jahren veröffentlichte Suzuki keine Musik mehr. Die kargen Spuren verschwinden von da an. Und vom Unbekannten bleibt immerhin eine vergessene Perle des Fusion-Jazz, die sich auch im 21. Jahrhundert noch genießen lässt. Dass dies möglich ist, damit hat vielleicht auch Suzuki nicht unbedingt gerechnet.

Dieser Beitrag ist Teil des Themenschwerpunkts

Japanischer Jazz

Unter dem Themenschwerpunkt »Japanischer Jazz« fassen wir Beiträge zur Jazzmusik aus Japan zusammen.

Zu den Beiträgen