Review

Merope

Salos

STROOM 〰 • 2021

Wer mit folkloristischen Formen und Motiven hantiert, kann sich schnell in Fettnäpfchen verrennen – wo Boden ist, da ist Blut schließlich nie weit entfernt. In den vergangenen Jahren aber hatte beispielsweise die slowenische Band Širom bewiesen, dass die Resultate nicht zwangsläufig nach Eso-Nationalismus riechen müssen, sondern auch einen sehr offenen Transkulturalismus und die Ahnung einer besseren Zukunft transportieren können. Ob die wirklich wie geplant im Frühjahr mit Merope auf deren Europa-Tour die Bühne teilen können, ist derzeit fraglich, es würde aber erschlagend viel Sinn ergeben. Denn auch die belgisch-litauische Band füllt im allerbesten Sinne des Wortes neuen Wein in alte Schläuche: »Salos« ist ihr viertes Album und erscheint überraschender Weise bei STROOM ist dort auf eine Art allerdings gut aufgehoben. Den sieben, gemeinsam mit einem Kammerchor eingespielten Stücke wohnt eine organisch-verschlafene Psychedelik inne, die nicht selten an New-Age-Tropen bordert, ohne jedoch in eben jene Fettnäpfchen zu treten und vor lauter Entgrenzungsfantasien die Struktur zu verlieren. Nein, »Salos« gibt sich stattdessen musikalisch genauso stringent wie konzeptuell, wie sich im ersten Stück zeigt: Ein von Gitarre und Flöte getragenes Lied geht in elektronischen Sounds auf, bevor ein polyphones Vokalstück draus wird. Wichtiger als die Wiederholung und Anordnung einzelner Passagen ist die Reise von der einen zur anderen. »Salos« kennt so auch keine fixe Heimat, sondern nur die Bewegung, Verbindungslinien statt Fluchtpunkte – irgendwie zwischen Ambient, pluckernden Rhythmen, a-capella-Verflechtungen und einer Form von Folklore, die nach allen Seiten hin offen ist. Es ist, kurzum, ein überragendes Album. Freundlich, bescheiden, doch zweifelsfrei visionär.

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Merope
Salos
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