Review

The Horace Silver Quintet

Total Response

Blue Note • 2013

»Total Response« von 1971 ist eine der missverstandenen Jazzplatten der Musikgeschichte – vielleicht ist es diese Perspektive, mit der man der Platte von Horace Silver und seinem Quintett gerecht wird. Der erste Hinweis findet sich auf der Platte, wo es zwar offiziell wie gewohnt »Quintett« lautet, daneben aber »Sextet with Vocal« heißt. Horace Silver hatte 1971 bereits 17 Platten veröffentlicht und erst mit »That Heelin’ Feelin’« (1970) im Jahr zuvor begonnen Sänger, also Lyrics, Platz einzuräumen. Die beiden Platten sind später zusammen mit »All« (1972) unter dem Titel »The United States of Mind« im Jahr 2004 neu veröffentlicht worden. Sie sind so etwas wie der Schmelztiegel der 1960er Jahre. So verwirrend und kopflos sie bei ihrem Ritt von Funk, Fusion, Soul-Jazz bishin zu Afrobeat wirken, in ihnen spricht die Suche nach dem, was aus den vermeintlichen Erneuerungen und Errungenschaften der 1960er folgen sollte. Und so sind die Lyrics irgendwo zwischen spiritueller Einheit im Sinne indischer Philosophie und Meditation (Total Response) und sozialer Verantwortung vor allem Teil der persönlichen Auseinandersetzung von Horace Silver und machen seinen Jazz plötzlich politischer und dringlicher. Steht die Platte für viele Kritiker für den Niedergang von Blue Note, antwortet das Hard Bop Urgestein Horace Silver doch eigentlich angemessen, stilistisch, wie inhaltlich: Indem er den konservativen Jazzhörer verstört und enttäuscht, um sich frei zu machen für neue Rhythmen und den Gebrauch der Sprache, für inhaltliche Dichte. Horace Silver ergreift mit »United States of Mind« und »Total Response« bildet den spirituellen Mittelpunkt. Es lohnt sich diese Platte neu zu hören und dabei sein großes Erbe und den Namen Blue Note für 40 verwirrende, erleuchtende Minuten auszublenden.