Unsichere Gehversuche kann man José James auf »While You Were Sleeping« zugegebenermaßen nicht wirklich unterstellen. Dennoch ergibt sein fünftes Studioalbum nicht das stimmige Gesamtwerk, das »No Beggining, No End« oder der Vorgänger »For What We Know« abgaben. Ausgebildet an der The New School for Jazz and Contemporary Music, meistert der von der New York Times als Verkörperung des neuen Soul-Jazz gefeierte Sänger die Verblendung von Genregrenzen, bisher vornehmlich zwischen Neo-Soul, R’n’B, Jazz und Hip Hop. Mit seinem zweiten Album für Blue Note will der Wahl-New Yorker nun auch dem Sound seiner Helden Nirvana, Radiohead, Jimi Hendrix huldigen. Ein paar Zitate aus bekannten Songstrukturen machen jedoch noch lange keinen überzeugenden Song. Was dem mit markantem Rock-Riff versehenen Opener »Angel« dank groovender Funkanleihen gelingt, entpuppt sich auf »Anywhere U Go« und »EveryLittleThing« als gut gemeintes, aber von repetitiver Monotonie gekennzeichnetes Experiment. Durchaus lobenswert; aber José James‘ Bariton klingt darauf trotzdem wie der eines Musterschülers, der für die gute Note, nicht aus Überzeugung, rockt. Die restlichen neun Songs des Albums tönen wesentlich unaufgesetzter. Etwa der Titelsong »While You Were Sleeping« mit dem starken Solo von Gitarrist Brad Allen Williams oder »xx«, die sich so Nichts wollend und unprätentiös, dabei gleichwohl stetig durch die Harmonien schrauben, dass es ein wahrer Genuss ist. Und auf feinstimmigen, dichten Kompositionen wie »Dragon« und »4 Noble Truths« kann James zeigen, dass er vor allem ein Meister der leisen Zwischentöne und jazzig-dissonanten Melodiebrüche ist. Neue Rockfacette hin oder her, wenn José James mit Al Green’s »Simply Beautiful« schließt, ist das (fast) alles verziehen.
While You Were Sleeping