Ausklang | 2017KW24 – 8 essentielle neue Platten

16.06.2017
Hunderte neue Releases, jede Woche. Davon viele sehr gut – und bereits von diversen Portalen vorgestellt. Wir präsentieren: die unvorgestelltesten, besten Releases der Woche. Ab vom Schuss, leicht daneben und tierisch geil: der Ausklang.
Bellows
Strand
Shelter Press • 2017 • ab 17.99€
»Strand« heißt das neue Album von Bellows, hat damit aber nichts zu tun. Das ist eher nächtliche transzendentale Meditation in einer Regentonne, umgeben von fluoreszierenden Algen irgendwo an einem Autobahnzubringer in Richtung Massachusetts. Aber ja, das Leben ist eine Bitch, ein Beach, eine Pritsche; es kommt alles nur darauf an, wie viel man braucht, um gut schlafen zu können. Now that’s deep. PK

Drew McDowall
Unnatural Channel
Dais • 2017 • ab 24.99€
Man kann’s aber auch einfach gleich abhaken, Drew McDowalls (der von Coil) »Unnatural Channel« hören und in der Regentonne gen Müllkippe donnern. Das sind auch keine kack fluoreszierenden Algen, sondern Plutonium oder sonst irgendein radioaktives Zeug, und der Boden ist auch nicht Lava, sondern der Boden ist für immer Autobahn, und da wachsen die Türme der Industrie und feuern und spucken und ich lehne mich in meiner Hard Rain-Tonne zurück. Stoße auf endbefreite Art und Weise etwas Luft aus, denn jetzt weiß ich es: auf meiner Abfahrt bestell ich mir noch tausend pinke Liefer-Dudes, dann esse ich Fleisch in rauen Mengen, kaufe Plastiktüten, fahre in einem Mustang den letzten Leoparden tot. Es ist endlich alles zu spät. PK

Moor Mother
Moor x Jewelry: Crime Waves
Don Giovanni • 2017 • ab 19.99€
Von der Regen- zur Mülltonne: Die Musik von Moor Mother ist ungefähr so, als hätte sich »To Pimp A Butterfly« hochkant das cyberfeministische Manifest durch die Nase gezogen und das Jazz-Gegniedel in die Kryotherapie geschickt. Was vermutlich auch der Grund ist, warum Moor Mother nicht auf die Headliner-Stages von Coachella eingeladen wird, was sie aber ja eh ablehnen dürfte, weil sie doch lieber im Basement-Club für Pogo sorgen wollen würde. Aber genug der Hypothesen, sprechen wir mal realpolitisch: Die »Crime Waves«-LP von ihr und Mental Jewelry ist vermutlich ein Highlight des Rap-Jahrs für Leute, denen der Drank schon längst wieder am Bein herunter gelaufen ist. KC

Pangaea / Mark Broom / Substance & Vc-118A
Blue Hour Remixed 2
Blue Hour • 2017 • ab 8.99€
Die intellektuelle Konkursverwaltung von Techno schreitet mit 130bpm vorwärts und während wir uns zwischen all dem White-Noise-Geballer und Modular-Gewichse schon ernsthaft über Trance-Revivals als unabdingbare Spaßgaranten freuen müssen, macht Mark Broom das, was er schon immer gemacht hat: Als menschlichgeformtes verkumpeltes Schulterklopfen Musik zu produzieren, die klingt wie Autowerbungen Ende der Neunziger die Zukunft imaginiert haben: slick, kobaltblau glänzend und aerodynamisch. Der »Common Ground« zwischen ihm und Blue Hour outsourcet die bemühte Edginess der Schwarzkutten auf die Wartebank vor dem Club, an deren Tür ihnen der Einlass verwehrt wurde. Drinnen wird nämlich nur Techno gespielt, der auch wirklich Bock macht. KC

Dane//Close
The Miniature Industrial Complex
Power Station • 2016 • ab 10.99€
Die intellektuelle Zauselbartisierung von Techno dümpelt mit 105bpm vor sich hin und hat mit Trance wenig zu tun. Dane//Close macht auf »Fourth World« nichts, was Tolouse Low Trax, Karamika oder die Neubauler nicht auch schon besser gemacht hätten, aber wer mir 12 Euro abknöpfen will, zitiert einfach weiter kräftig 1982 und verzichtet auf Momentum, Drops und Fäuste. Rau, rostbraun und sperrig. FA

Sully
Zero Sum
Tnr Rd. • 2017 • ab 9.99€
Jungle und D&B, wir hatten mal ein schwieriges Verhältnis. Weil ich damals in einem kleinen und angemessen schrulligen Plattenladen in Konstanz meine Dienstagsschicht immer damit beginnen durfte, diesem einen pausbäckigen Nutellalutscher (aber Holden-Seitenrattenschwanz, so sic), die neuesten – und zu diesem Zeitpunkt überwiegend bereits schlechten – Metalheadz-Platten zum Frühstück laut – like real rudebwoylaut – vorspielen zu müssen. Any. Given Tuesday, weil Mint ist König und 400-Euro-Job 400-Euro-Job. Aber weil man mit genug Abstand und Ehrgeiz Pawlow auch gerne mal wieder den Mittelfinger zeigen will, geht das heute alles wieder, zumindest wenn so knochentrocken und humorfrei geklöppelt wird wie hier Sully auf dem erst jetzt auf Vinyl erschienenen »Zero Sum«. Übrigens in Ordnung: hier an Photek denken. FA

Borusiade / The Sixteen Steps
Promises And Infatuation
Cititrax • 2017 • ab 24.99€
Imitation der Achtziger. Simultation meiner Kindheit. In beiden Fällen erscheint es mir glaubwürdiger, wenn sie von einer Rumänin kommt. (Borusiade) Wieso eigentlich? Mögliche Antworten: Beton, Disziplin, Geschlecht, Entfremdung, Paranoia, Karl Marx, Jacques Derrida. SH

Norwell
Odd EP
Dalmata Daniel • 2017 • ab 11.99€
Wir bleiben in Osteuropa. Imre Kiss legt Hand an [Norwell](https://www.hhv-mag.com/de/glossareintrag/5319/norwell.) Inner-ungarische Arbeitsteilung. Da kann selbst Viktor Orbán nichts dagegenhaben. Den Track gab es so ähnlich sicher schon mal vor 25 Jahren. Ich hätte ihn mir gewünscht als ich 25 war (wann war das gleich?). Nützt ja nichts. Das Leben ist ja eine Bitch, Beach, Pritsche (siehe oben). Das muss man halt auch feiern können. SH


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