Peter Adarkwah stolpert leicht gestresst an den Hörer, als wir das Telefoninterview 30 Minuten später als verabredet an diesem Montagmorgen beginnen. Er hat seine Debitkarte ausgerechnet an einem der ersten echten Frühlingstage des Jahres im Londoner Berufsverkehr verloren und musste sie schnell noch sperren lassen. Auch wenn der Londoner es nicht ausspricht, es ist wahrscheinlich die einzige Situation, in der der Spruch time is money nicht abgedroschen wirkt. Denn Peter Adarkwahs Label BBE Music, das der ghanaische DJ und Veranstalter mit seinem Partner Ben Jolly 1995 als BBE Records aus dem Boden stampfte, wird in diesem Jahr 25 Jahre alt. Das ist nicht nur ein Anlass für eine Rückschau, sondern ein Grund für eine ordentliche Gratulation und so sagt der bescheidene Brite als erstes: »Danke schön«.
»Erfolg ist relativ«
»Manche werden vielleicht gelassener, aber nicht unbedingt klüger«, sagt Adarkwah über die Lehren der Erfahrung eines Vierteljahrhunderts in der Musikindustrie, »Ich bin heute etwas nüchterner und realistischer, schätze ich.« Als Gründer einer Firma, die sich nach dem Post-Disco-Joint »Barely Breaking Even« benannt hat, was übersetzt so viel wie plus-minus-null heißt, ist das eine charmante Zurückhaltung nach 25 Jahren im Business. Denn noch bevor BBE mit japanischen Jazz von sich Reden machten oder mit der »Beat Generation«-Serie um einen damals recht unbekannten Produzenten namens Jay Dee und dessen Album »Welcome 2 Detroit« so ein bisschen die Instrumental-HipHop-Kiste lostraten, hatten sich Peter Adarkwah und Ben Jolly schon erfolgreich an Compilations versucht. »Da ist der finanzielle Aufwand nicht so hoch und du kannst auch ohne viel Werbung okaye Absätze erzielen, das war halt einfacher«, sagt Adarkwah heute in britischer Zurückhaltung recht lapidar daher, wenn man bedenkt dass er unter anderem legendäre Sampler wie »Disco Forever« von Dimitri From Paris oder »Hip Hop Forever« von Kenny Dope meint.
CITI: »Ich veröffentliche eben keine Pop-Musik.« – Peter Adarkwah, BBE Music.:
Mit den Releases von Originalalben, vor allem jene von Jay Dee oder auch Roy Ayers, entwickelt sich das Londoner Label Anfang der 2000er endgültig zum Auskennerliebling. Zeitweise tummeln sich auf dem Label tonnenweise Acts auf Weltniveau wie etwa Masters At Work, Madlib oder gar Mark Ronson. »Erfolg ist relativ«, sagt Adarkwah dazu,»100.000 verkaufte Einheiten sind ein eindeutiger Erfolg für mich. Das passiert in meinem Metier aber nicht so oft.« Heute läuft unter dem umfassenderen Namen BBE Music neben dem Label- und Booking-Betrieb auch ein Plattenladen in Hackney, London. »Nach 25 Jahren kann ich sagen, die Musikindustrie ist ein Game, wo sich das Spielfeld fortlaufend verändert und du musst auf diese Veränderungen eben reagieren.« Adarkwah fügt außerdem hinzu: »Ich veröffentlichte ja keine Pop-Musik.«
Musik weltweit
Es ist ein wiederkehrender Satz, der auch mit Blick auf die jüngsten Erfolge um die »J Jazz«-Serie fällt. »Ohne meinen Kontakt Kensuke Hidaka wäre diese Serie kaum möglich gewesen«, sagt Peter und erzählt vom zähen Netzwerken und monatelangen Suchen von Rechtseigentümern im Land der aufgehenden Sonne. Mit den äußerst erfolgreichen Compilations von Tony Higgs und Mike Peden aus vergessenen Jazz-Großtaten aus dem Japan der Sechziger, Siebziger und Achtziger knüpfen BBE seit 2018 nicht nur an ihre Wurzeln als Sampler-Label an, sondern weisen sich abermals als Influencer der Influencer aus. J Jazz erlebt einen kleinen Boom unter Jazz-Liebhabern, was Adarkwah immer noch erstaunt hat: »Meiner Erfahrung nach ist es oft so, dass japanische Musik außerhalb von Japan oft kaum Resonanz erfährt.« Nur weil etwas limitiert sei, hieße außerdem nicht, es würde ein Verkaufshit werden. »Für mich ist es der helle Wahnsinn heutzutage mit solcher Musik so ein großes Publikum zu erreichen. Natürlich sind das keine horrend hohen Auflagen, wir haben vielleicht 10.000 Schallplatten abgesetzt. Aber das sind immer noch Dimensionen, von denen andere gar nicht zu träumen wagen.”
Es ist sein optimistischer Realismus, der ihn wahrscheinlich in den letzten zwei Dekaden nicht verzweifeln ließ, auch wenn der gebürtige Ghanaer die Bestrebungen, alte und neue Musik vom afrikanischen Kontinent in die Welt zu bringen, als »immer noch nicht einfach« beschreibt. Neben einem kleinen, aber angebrachten Rant auf das nicht-existente Vorurteilsgenre »Weltmusik« (»eine fürchterliche Bezeichnung«) sagt Peter Adarkwah in seinem Resümee über den Stand von BBE Africa fast unbemerkt einen Satz, der vermutlich sowohl von Kollegen, Fans und als auch ihm selbst zu oft überhört wird und dessen Gewicht 25 Jahre nach Gründung mit einem Katalog von mindestens 800 Releases gar nicht oft genug betont