Seit fünfzehn Jahren bereichert der gebürtige Russe das HipHop-Spiel mit seinen Beats. Für sein jüngstes Projekt The Electric hat er sich mit der britischen Sängerin Sabira Jade und dem Chicagoer MC Pugs Atomz zusammengetan. Entstanden ist in dieser musikalischen Konstellation, die sich auf Vadims letzter Tour ergab, ein warmes, souliges Album mit einer sehr positiven Grundstimmung. Life Is Moving heißt es, und das gilt auch für DJ Vadim selbst.
Das Album habt ihr während der Tour aufgenommen. Wie habt ihr es geschafft, euch trotz des ganzen Tourstresses auf die kreative Seite zu fokussieren?
DJ Vadim: Viele Musiker fragen mich, wie es möglich ist, dass ich so viel Musik veröffentliche, obwohl ich ständig unterwegs bin, dauernd auf Tour. Aber für mich ist es keine Frage, wie ich das schaffe – für mich ist die Frage eher, wie andere es schaffen, das nicht zu tun. Denn ich habe überhaupt kein Problem damit. Ich finde es sehr einfach. Wenn man bei McDonald’s oder in einem anderen langweiligen Job arbeitet, wo Leute einem sagen, was man tun soll, ist die Motivation gering. Das einzige, was einen motiviert, ist, dass sie einen bezahlen. Man wird nicht mehr tun als absolut nötig. Aber wenn man etwas tut, das man liebt, was sind dann ein paar Extraminuten? Oder Stunden? Du setzt dich ja auch nicht hin, wenn du einen Film guckst und sagst, okay, ich habe genau 90 Minuten, um zu entspannen. Und wenn der Film dann noch nicht vorbei ist, machst du ihn einfach aus? (lacht)
Dein Sound war immer eher rough. Jetzt kommst du mit einem eher souligen Retrosound. Eine künstlerische Neuausrichtung?»Ich habe immer Soul, Funk und elektronische Musik gesampelt. Heute hat sich das weiterentwickelt. Ich spiele Keyboards, Drums, alles live, dadurch ist viel mehr Seele in der Musik. Aber keine Sorge, das ist nur ein Album, ein Teil von mir. Mein nächstes Album könnte auch Reggae oder Electro sein.«
DJ Vadim
DJ Vadim: Ich blicke auf fünfzehn Jahre in der Musikindustrie zurück. Meine Musik hat sich in dieser Zeit entwickelt. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass die Musik, die ich heute mache, sich total davon unterscheidet. Ich habe immer Soul, Funk und elektronische Musik gesampelt. Heute hat sich das weiterentwickelt. Ich spiele Keyboards, Drums, alles live, dadurch ist viel mehr Seele in der Musik. Aber keine Sorge, das ist nur ein Album, ein Teil von mir. Mein nächstes Album könnte auch Reggae oder Electro sein.
Einige Kritiker könnten dir vorwerfen, dass es zu retro und zu wenig progressiv sei…
DJ Vadim: Wenn du Leute fragst, was sie unter Fortschritt verstehen, bekommst du sehr viele verschiedene Antworten. Und die gleichen Leute, die ständig über Fortschritt reden, werden ganz aufgeregt, wenn Rick Ross oder Diddy ein neues Album herausbringen. Außerdem ist es total schwer, mit Musik zu kommen, die vollkommen neu, vollkommen revolutionär ist. Entweder ist es eine Weiterentwicklung von etwas, das Jahre zuvor passiert ist oder es ist eine Kopie. Natürlich gibt es in jedem Genre und in jedem Style Anführer, Vorreiter, innovative Leute. Jimi Hendrix für Rock oder die Beatles für Pop. Public Enemy oder De La Soul für HipHop. Aber, wenn man genauer hinsieht – wie sehr hat sich Jimi von allem unterschieden, was vor ihm kam? Oder die Beatles? Haben die nicht auch Einflüsse aus vielen Genres gehabt und es einfach neu verpackt? Egal – es kommt nicht darauf an, ob es progressiv ist oder nicht. Es geht nur um gute Songs.
1994 hattest du kurz dein eigenes Label, bist aber bald bei Ninja Tune und später BBE untergekommen. Jetzt hast du wieder ein eigenes Label. Hast du inzwischen genug von den Profis gelernt?
DJ Vadim: Als ich Jazz Fudge gegründet habe, wusste ich gar nicht, was ich tue – ich habe es einfach getan. Ich habe Musikmachen nie auf einer Schule gelernt, habe keinen Soundengineering-Kurs belegt und auch keine Business-Schulung mitgemacht. Ich wusste überhaupt nichts. Ich habe einen Vertrieb und ein Studio gefunden, bekam ein bisschen Geld von meiner Mutter und habe Platten gepresst. Aber dann bekommt man langsam mit, wie das Business so läuft. Ninja Tune haben mir 1996 Geld gegeben, und so konnte ich meinen normalen Job kündigen und den ganzen Tag Musik machen. Außerdem haben sie mir die Möglichkeit gegeben, meine Musik weltweit zu verbreiten. Ich habe viel von ihnen gelernt, gesehen, wie sie Künstler promoten und vermarkten, wieviel Geld sie reinstecken, welche Kampagnen funktionieren, welche nicht. Jetzt bin ich an dem Punkt, wo ich dieses Wissen selbst nutzen kann. Dazu kommt, dass sich die Industrie verändert hat. Vor zehn Jahren gab es kein Facebook, kein Twitter und kein Youtube.
Noch was?»Mäßigung ist kein Wort, das Russen kennen«
DJ Vadim
DJ Vadim: (überlegt) Ja. Ein Glas Rum vor dem Schlafengehen wird dir süße Träume bescheren. Dunkler Rum, der helle taugt nichts.
Geht auch Cognac?
DJ Vadim: Klar. Aber nur ein kleines Glas, nicht eine ganze Flasche. Ein Glas beschert dir süße Träume, eine Flasche schickt dich die ganze Nacht auf die Toilette. Alles in Maßen.
Hast du deine russischen Roots vergessen?
DJ Vadim: Du meinst Vodka?
Ja, und die Maßlosigkeit.
DJ Vadim: Mäßigung ist kein Wort, das Russen kennen (lacht). Klar, ich mag Vodka. Aber ich bevorzuge Rum. Einfach, weil er besser schmeckt. Weil er überhaupt nach etwas schmeckt.