Clipse sind zurück – und lassen den heutigen Rap alt aussehen

04.08.2025
Foto:Cian Moore / Roc Nation

Die Rezeptur bleibt unverändert. Knochentrockene Beats und beißende Raps, die sich irgendwo zwischen Sumpf und Erleuchtung bewegen. Clipse geben sich auf ihrem Comeback-Album durchaus vintage. Die Rap-Welt hatte es nötig.

Wenn Pusha T disst, dann disst er richtig; wenn er Hunger hat, ist Jagdsaison. Seinen messerscharf vorgetragenen Vergleichen und Metaphern könnte ich stundenlang zuhören. Allerdings würde ich behaupten, dass Pusha im Solokontext (und als Kanye-Sidekick) nie wieder so stark war wie als Mitglied von Clipse: als Teil dieses Rap-Duos, das Pusha T gemeinsam mit seinem Bruder Malice gründete, sorgte er für herausragende Platten wie Lord Willin oder Hell Hath No Fury.

Nun sind Clipse zurück und veröffentlichen ihr erstes Album seit 16 Jahren. Es trägt den Namen Let God Sort Em Out, klingt fantastisch und wird von ähnlich turbulenten Label-Problemen begleitet wie einige ihrer früheren Alben. So musste Pusha T eine unbekannte, siebenstellige Summe zahlen, um aus einem Vertrag mit Def Jam Recordings auszusteigen und seine Musik so veröffentlichen zu können, wie er will. Hängt tatsächlich noch mit dem Drake-Beef zusammen, den Pusha T angefangen und gewonnen hat. Jedenfalls ist Let God Sort Em Out nun auf Roc Nation erschienen, Jay-Z kam zur Rettung.

Zurück zum ursprünglichen Punkt: In Kombination mit seinem Bruder Malice ist Pusha T noch besser. Heute klingen ihre beiden Stimmen nicht mehr ganz so ähnlich wie in den Nullerjahren, was das Ganze nur noch farbvoller macht. Nach dem ursprünglichen Ende von Clipse – im Jahr 2010 – hat sich Malice stärker in Richtung Christian Rap entwickelt und lässt diese Einflüsse auch in Let God Sort Em Out einfließen. So nennt er Bibelverse oder rappt: »Came back for the money, that’s the Devil in me / Had to hide it from the church, that’s the Jekyll in me.« Das gibt ihm einen eigenen Touch – vor allem im Vergleich zum allgemein stärkeren Pusha T. Dass Malice es schafft, seinen Bruder zum Reflektieren seines früheren Drogenhandelns zu bringen (»Was I cooking death when I was baking?«), macht die Platte noch runder.

Eine alte Ära einläuten

Wer hier natürlich nicht fehlen darf, ist Produzent Pharrell Williams, der – damals noch gemeinsam mit Chad Hugo unter dem Namen The Neptunes – schon für die alten Klassiker von Clipse verantwortlich war. Genau wie die Brüder Pusha und Malice stammt er aus Virginia, entdeckte das Duo damals und wurde über die Jahre zu einem der besten Hip-Hop-Produzenten aller Zeiten. Das fällt auch im Vergleich mit Kanye West auf, mit dem Pusha T auf seinen Soloalben (größtenteils) zusammenarbeitete: Natürlich ist auch dieser Blödmann ein wahnsinnig guter Produzent, doch sein Stil ist deutlich leichter zu kopieren als die ausgefeilten Beat-Kompositionen von Williams.

Dessen alte Herangehensweise ist auf Let God Sort Em Out tonangebend. Dadurch ist die Platte frei von aktuellen Trends – auch wenn sie sich trotz ihrer Throwback-Ästhetik modern und frisch anfühlt. Weniger ungewöhnlich sind die Beats im Vergleich zu jenen auf Hell Hath No Fury allemal, obwohl der orientalisch angehauchte Song »So Be It« der Sache nahekommt. Stattdessen ist die Platte polierter – es wurde lange an ihr gearbeitet. Doch die Glätte ändert nichts an ihrem Facettenreichtum: Es gibt aneckendes Geklapper, stechende Synths und wunderschöne Soul-Passagen, die gekonnt mit den kaltblütigen Rap-Einlagen der beiden Brüder in Einklang gebracht werden.

Auch wenn ich es etwas schade finde, dass der Job nicht von jüngeren Leuten gemacht wird, freue ich mich über den blutrünstigen First-Class-Rap auf Let God Sort Em Out.

»The Bird’s Don’t Sing« ist als Opener eher untypisch für Clipse, da es sich um einen melancholischen, den Balladenkönig John Legend als Gast enthaltenden Trauersong handelt, in dem Pusha T und Malice auf ihre verstorbenen Eltern zurückblicken. Es geht also um Verlust – die Ausgangssituation auf Let God Sort Em Out ist eine tragische. Man könnte das Ganze nun auch größer denken: »Hip-Hop died again«, meint Kendrick Lamar in seinem boshaften Feature-Part auf »Chains & Whips«. Die Ästhetik von Clipse passt perfekt zur momentanen Inkarnation von Kendrick und bringt auf den Punkt, dass alle Beteiligten sich nur wenig bis gar nicht mit aktuellen Rap-Trends anfreunden können – sie trauern dem vermeintlich »echten« Hip-Hop nach. Pusha T erklärte in einem Interview mit Complex: »I don’t think people make this type of music no more. I don’t think anybody does. I don’t know if they want to, I don’t know if they can. But whatever it is, it’s like: They don’t do it. And I think it’s gonna make this album and us as a group stand out like never before.«

Dass es heutzutage kaum gute Rapper gibt und die meisten Hip-Hop-Künstler ihren Fokus auf die falschen Dinge legen würden, behaupten Clipse immer wieder in neuen Interviews. Also wollen sie das Gefühl ihrer Helden einfangen – Jay-Z, Nas, Wu-Tang – und die Fahne für eine vergangene Ära hochhalten. Auch wenn ich es etwas schade finde, dass der Job nicht von jüngeren Leuten gemacht wird, freue ich mich über den blutrünstigen First-Class-Rap auf Let God Sort Em Out.

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