Homeboy Sandman – HipHop-Fan und -Kritiker

15.04.2013
Foto:Gavin Thomas / © Stones Throw Records
Mit seinen bissigen Kolumnen in der Huffington Post über den State of Art von Hip Hop tritt Homeboy Sandman vielen Etablierten des Genres auf die Füße. Wir ließen uns von dem New Yorker einen Einblick in sein Spektrum der Kritik geben.

Mit seinen bissigen Kolumnen in der Huffington Post über den State of Art von Hip Hop tritt Homeboy Sandman vielen Etablierten des Genres kräftig auf die Füße. Der New Yorker MC versteht sich als Aufklärer. Für ihn sind Worte Waffen. Er kämpft gegen Rassismus, Sexismus und die Propaganda der Massenmedien. Der Grund, weswegen es schwer ist, den Klassenkämpfer zu ignorieren, ist, dass er aktuell der anspruchsvollste englischsprachige Wortspielakrobat ist und damit einer der letzten Rap-Innovatoren.

Deine Musik ist sperrig und eingängig gleichermaßen. Wie wichtig sind catchy hooks für das Verbreiten deines Wissens?
Homeboy Sandman: Also für mich ist es super wichtig. Das Ding mit den Massenmedien und der Popkultur in den USA ist folgendes: Es gibt sechs Firmenkonglomerate, die die Verbreitung von 90 Prozent aller Informationen kontrollieren. Die Leute entscheiden nicht individuell, was populär wird, sondern sie bekommen es vorgesetzt. Diese Konglomerate suchen nach Musik, die hilft, Sachen zu verkaufen. Und das meiste von dem, was man im Mainstream zu hören bekommt, ist nicht nur kommerzielle Musik, sondern auch »commercial music« (Werbemusik) für einen bestimmten Lifestyle, für alles, was in den Songs und Videos angepriesen wird. So etwas mache ich nicht, denn ich bin ehrlich und kritisch, also ist es schwer für mich dort stattzufinden. Das heißt auch, dass meine Musik sich nur verbreiten kann, wenn sie wirklich gut ist und die Leute die Musik gerne hören.

Du prangerst die Respektlosigkeit gegenüber Frauen im Rap an. Warum ist die heute immer noch so hoch?
Homeboy Sandman: Ich sage dir ganz deutlich, HipHop ist in den USA auch durch seine massive Präsenz in den Massenmedien, heutzutage zu einem Instrument geworden, um die schwarze Gemeinschaft zu zerstören. Egal, welchen HipHop-Sender du anschaltest, es geht darum irgendein Zeug an schwarze Menschen zu verkaufen, das sie sich nicht leisten können, sodass sie sich gesetzeswidrig verhalten, um es zu bekommen, damit man sie in die Gefängnisindustrie überführen kann. Da die Familie der Kern jeder kleineren oder größeren Gemeinschaft ist, brauch man nur die Respektlosigkeit gegenüber Frauen propagieren, im die Strukturen zu destablisieren. Wie soll ein Volk sich wehren, wenn es schon untereinander geteilt ist? Es ist nicht so, dass es vorher keine Respektlosigkeit gegenüber Frauen gegeben hat, aber die Mainstreammedien haben diese wieder großflächig salonfähig gemacht.

»Es geht im HipHop schon lange nicht mehr um Musik, um Talent, um Liebe, sondern um Manipulation und Werbung.«

Homeboy Sandman
Du kritisierst auch, dass viele neuen Rapmusik gleich klingt? Woran mag das liegen?
Homeboy Sandman: Die Leute fangen heutzutage kaum noch an, sich mit Rap zu beschäftigen, weil sie Musik lieben oder Talent haben. Die Leute sind so verängstigt herauszufinden, wo ihre wahren Talente liegen, dass sie das machen, was alle anderen auch machen. Es geht ihnen nicht um Innovation oder Schaffenskraft, sondern um Geld. Sie wissen, dass wenn sie sich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten, sie eventuell Geld verdienen können. Sie glauben, das ist der Schlüssel zum Erfolg, aber sie glauben auch, dass Geld und Ruhm Erfolg bedeuten. Aber sie sind unglücklich, denn sie sind leere Puppen.

Wenn du vor Schulklassen trittst, worüber redest du mit den Kindern?
Homeboy Sandman: Meistens über dasselbe wie mit dir. Über HipHop, über die Gesellschaft und die Gemeinschaft. Ich bin geraderaus und ehrlich. Ich frage: Kommt es euch nicht komisch vor, dass das, was alle um euch hypen, davon erzählt, dass ihr euch umbringen sollt? Es geht im HipHop schon lange nicht mehr um Musik, um Talent, um Liebe, sondern um Manipulation und Werbung. Musik, die sich verkauft, soll andere Sachen verkaufen. Und die Kids lieben es, wenn ich ihnen das sage, so etwas haben sie noch nie gehört. Wenn ich die Klasse betrete, verhalten die sich alle wie kleine Rapper. Kleidung, Sprache, alles. Wirklich alles, was Rapper sagen und machen, machen diese Kids nach. Weil ich ein Rapper bin, erreiche ich die Kids um ein Vielfaches früher als ich noch nur ein Lehrer war.

Wenn du sagst, du bist der Erste einer neuen Art, wen oder was wünscht du dir zu folgen? Bist du ein Anführer?
Homeboy sandman: »First of a Living Breed« ist für mich nicht unbedingt wörtlich zu verstehen, sondern steht für Optimismus. Und dafür, dass die Gewinnermannschaft langsam wächst und gedeiht. Und das geht weit über die Musik hinaus. Ich sehe mich deshalb als Teamspieler, nicht als Einzelkämpfer. Und ja, ich sehe mich schon auch als eine Art Anführer, aber auch nicht als der einzige Anführer. Es geht darum, die Menschen zu bemächtigen, statt sie zu entmachten. Ich weiß nicht, ob das selbstgerecht oder selbstsüchtig ist, aber es ist wahr: Ich lebe ein tolles Leben, denn ich bestimme ganz alleine darüber. Ich mache nur, was ich wirklich möchte. Ich bin glücklich. Und ich möchte, dass die Menschen das sehen. Sie sollen sich fragen, wie das geht? Denn ich bin nicht reich und berühmt oder sonst etwas. Ich möchte, dass die Menschen glücklich mit sich sind. Warum ich möchte, dass mir alle folgen? Weil ich glaube, dass es das Beste für sie wäre.