Man muss sich diesen Albumtitel bitteschön mal auf der Zunge zergehen lassen: Space Is Only Noise. Raum ist nur Geräusch. Dass diese mutige These dann auch noch von einem 21-jährigen so selbstbewusst ausformuliert und in ein ganz eigenes Klangkonzept aus den unterschiedlichsten Versatzstücken zwischen Blues, House und Lounge umgemünzt, ist umso erstaunlicher. Der junge Mann mit dem Klang hört auf den Namen Nicolas Jaar und ist nach James Blake das nächste Wunderkind mit Mut zur Melancholie und ordentlich Bass auf seinen Tracks.
Überraschende Selbstverständlichkeiten
Bevor Jaar sich jedoch mit einem solchen Statement an Album um die Ecke kommt, ebnete der in Chile geborene Jungspund sich den Weg ins Bewusstsein der DJs, Clubgänger und Blognerds schon mit 17 Jahren und der Hilfe einer Fuhre an Eigenproduktionen. 2008 droppte Jaar mit der EP The Student über die House-Schmiede Wolf+Lamb eine handvoll Songs, die schlichtweg für Begeisterung sorgten. Überraschende Selbstverständlichkeiten, konsequent zusammengehalten von schnurgeraden Rhythmen und wohldosiert um die richtige Nuance an Jazz und Blues aufgelockert. Die Geschichte von Jaars’ erstem Kontakt mit elektronischer Musik – Thé Au Harem D’Archimède von Ricardo Villalobos – ist schon zu Genüge erzählt. Was aber neben der Clicks’n’Cuts-Ästhetik immer wieder auffällt, sind schon damals die herrlich strangen Querverweise auf Ethio-Jazz von Koryphäen wie Mulatu Astatke. Nicht gerade typisch für die Ästhetik eines Musikers im elektronischen Metier – aber es gibt Jaars’ Songs einen ganz eigenen Dreh.
Es folgten weitere Veröffentlichungen über die Strukturen des Wolf+Lamb-Kollektives und Circus Records – und jede Menge Edits. Denn besonders diese Einfärbung alter Popklassiker mit seiner ganz eigenen Handschrift war es, die Nicolas Jaar auch außerhalb der Szene schnell größere Aufmerksamkeit zuteil werden ließen. Natürlich war seine Bearbeitung des Michael Jackson-Klassikers Billy Jean ein gewagtes Experiment. Aber wie er der todsicheren Nummer den Bass unter den Füßen wegriss, mutete so radikal an, dass für die Großraumdisco nicht mehr viel übrig blieb.Was neben der Clicks’n’Cuts-Ästhetik immer wieder auffällt, sind die Querverweise auf Ethio-Jazz von Koryphäen wie Mulatu Astatke. Nicht gerade typisch für die Ästhetik eines Musikers im elektronischen Metier.
Die einzig logische Konsequenz
Etwaige Altlasten und juvenilen Leichtsinn hat Nicolas Jaar mit seinem Debüt hinter sich gelassen. Vielmehr ist Space Is Only Noise ein gekonntes Weiterdrehen seines Könnens auf einer vielseitigen Basis der letzten vier bis fünf Jahre. Verspulte Jazz-Skizzen treffen auf schluffige Beat-Science und Deep House-Tendenzen. Vielleicht etwas weniger tanzbar, dafür um so anspruchsvoller. Mitunter schwingt eine große Dunkelheit in den Tracks mit. Dann etwa, wenn ominöse Sprachfetzen und kehligen Knacklaute im ersten Stück der Platte eine Gänsehaut bescheren. Oder man sich selbst dabei ertappt, dem Mix aus hypnotischen Genöle und paranoidem Geklimper auf Keep Me There entkommen zu wollen, aber es einfach nicht klappt.
Man versteht das noch mehr, wenn man weiß, dass Nicolas Jaar ganz offen mit dem Gedanken spielt, seine Musik auf das Medium Film zu übertragen und die mitunter psychedelisch-paranoiden Songstrukturen und dazugehörigen Gedankenskizzen in seinem Kopf zu visualisieren. Und dann wäre da schließlich auch noch sein eigenes Label Clown and Sunset, auf welchem er krude Spartenmusik veröffentlicht. Nicolas Jaar bleibt ständig in Bewegung. Das stetige Voranschreiten und vor allem auch die stete Weiterentwicklung und Auslotung des eigenen Schaffensradius die einzige logische Konsequenz aus dem Hype, der gerade um ihn kreiert wird. Er will sich dem durch immer Neues entziehen. Und Stillstand ist ja bekanntlich eh der Tod.