Man kann A Love Supreme gefahrlos einen der größten Klassiker des Jazz nennen. Doch die beste Platte von John Coltrane? Dazu schreibt der Autor Karl Lippegaus in seiner Coltrane-Biografie von 2011, dass »viele sie trotz ihres phänomenalen Dauererfolges nicht für seine beste Platte halten«. Okay. Man könnte das auch anders sehen.
Auf dem Album kommen mehrere Dinge zusammen, die, nüchtern gesprochen, etwas Außerirdisches haben. Da wäre zunächst das klassische John Coltrane Quartet in grandioser Form. Lippegaus konstatiert gar: »Jeder der vier Musiker befindet sich auf dem Höhepunkt seines Könnens.« Der Pianist McCoy Tyner, Bassist Jimmy Garrison und der Schlagzeuger Elvin Jones spielen in einer Weise miteinander, die sich durch Formulierungen wie »aufeinander hören« nur sehr annähernd beschreiben lässt: So konzentriert, zurückgenommen und nach außen grundentspannt geht es zu, dass man die Anstrengung dahinter gar nicht merkt, diese »Besteigung eines hohen Berges«, wie Lippegaus assoziiert. Kaum zu glauben, dass alles in gerade mal einem Tag eingespielt wurde.
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Dann wäre da der klare Aufbau; die ganze Platte ist von Coltrane als vierteilige Suite angelegt. Dabei schlagen die Stücke in sich Bögen, die weit über die Dauern der einzelnen Nummern hinaus zu tragen scheinen. Man kommt bei der Sache auch um das Wort »Atem« nicht herum. Denn die Suite hat mit ihren gedehnten Melodien, ihren getragen treibenden Rhythmen, ihrer scheinbar schlichten Gesammeltheit etwas von einem langen Gebet. In Zahlen: 33 Minuten. Dafür braucht man Luft.
Nicht umsonst gilt A Love Supreme als die Gründungsplatte dessen, was sich heute »Spiritual Jazz« nennt. Coltrane war, wie es heißt, beim Komponieren von eigenen Visionen inspiriert, die Titel der einzelnen Teile erinnern an Kirchenliturgie, der letzte heißt sogar explizit »Psalm«. Die Melodien schreiten ruhig voran, ausgenommen der deutlicher synkopierte Teil 2, »Resolution« –das energetische Kraftzentrum der Platte.
Höchste Liebe, größte Freiheit
Und dann ist da der Gesang Coltranes am Ende des ersten Teils, »Acknowledgement«. Seine Stimme, von ihm zum ersten Mal auf einem Album als Instrument eingesetzt, wurde mehrfach aufgenommen, sodass es klingt, als sänge das gesamte Quartett als kleiner Chor. Die drei Worte »A love supreme«, mehr gemurmelt als gesungen, immer und immer wieder, wurden häufig als Mantra bezeichnet. Das allein würde sie im schlechtesten Fall auf eine Art Beschwörungsformel reduzieren. Es ist ein Lobgesang, vielleicht auf Gott, explizit jedoch preist Coltrane bloß die Liebe. Unbeirrt, ohne individuellen Ausdruck, er beglaubigt einfach die Größe der Liebe, von der er da spricht.
Obwohl Coltrane mit A Love Supreme den Spiritual Jazz aus der Taufe zu heben half, verfolgte er diesen neuen Stil nicht weiter. Das Album sollte sich vielmehr als Höhe- und Schlusspunkt einer Entwicklung erweisen, die den Übergang zu etwas anderem markierte. Coltrane vertiefte sich danach mehr und mehr in seine Vorstellung von Free Jazz, beginnend mit Ascension, und das ebenfalls mit spirituell-kosmischem Anspruch. Von seinen Mitstreitern folgten ihm darin nicht alle, sein Quartett löste sich wenig später auf. Denkbar, dass es für sie nach A Love Supreme nicht mehr besser werden konnte.