September 1997, Schwabylon: F. Aigner setzt auf dem Dorfskateplatz »Once Upon A Time In America« als Black Flag-Alternative durch und zerstreitet sich mit mindestens drei Cargo-Hosen-Trägern, weil er nicht einen Song von NoFX, dafür aber »Hustlin’« auswendig kennt und beim rezitieren (leider) meist die Augen schließt.
Juli 1998, Schwabylon: Der übertalentierte lokale Courtking D. Harter feiert seinen 16. Geburtstag mit Dinkelacker und »Murdafest«. F. Aigner will auch kein Alman sein.Florian Aigner
Steffen Kolberg
Ich floh im Sommer für ein paar Monate zu meiner exzentrischen Patentante, die zusammen mit ihrem Mann – einem talentierten jedoch erfolglosen Schlagzeuger – am Stadtrand von Paris ihr Bohème-Exil fristete. Ich liebte dieses kleine Fenster Freiheit, und atmete all die geheimnisvollen Platten ein, die mir Jerzy täglich in den Discman warf. Diese Musik war mein Versprechen irgendwann aus der Tristesse ausbrechen zu können. Und das Versprechen erhielt einen ganz konkreten Namen: Björk.
»Homogenic« ist sicherlich nicht ihr bestes Album, aber mein erstes, und deswegen für mich auch das wichtigste. Ich hörte »Jogà« und heulte salzige Pfützen, hörte »Hunter« und bewarf all die bröselspermagrinsenden Lackaffen mit Bierflaschen, nur um mit »All Is Full Of Love« wieder Frieden mit ihnen zu schließen. Mich interessierte nicht, wie Björk medial wahrgenommen wurde: sie lehrte mich die Furchtlosigkeit der Unangepasstheit, bei gleichzeitiger unverfrorener Umarmung ihrer Weiblichkeit, radikaler als es je ein Riot Grrrl für mich verkörpern konnte. Für sie schlossen sich Sentimentalität und wild tobende Widerspenstigkeit nicht aus, Björk lebte und lebt immer noch das Kompromisslose, eine niemals endende Neugier. Ihre Kunst formte mich zur der Frau, die ich mich vorher nicht traute zu sein. Sie eröffnete mir ein Universum an Einflüssen und eine Einstellung, die mir bis heute als Spiegel dient. Und verlieh mir den schützenden Kokon, durch den ich mich mit 18 schließlich selbstbewusst durchbeißen konnte: »Excuse me, but I just have to explode this body off me. I’ll be brand new tomorrow.« Sonja Matuszczyk