Review

Ben Frost

Scope Neglect

Mute • 2024

1993 begründete die Band Earth ein neues Genre, indem sie Metal-Riffs mittels Kompositionstechniken der »minimal music« der Sechziger neu arrangierten. Ihr »Drone-Doom« gehört zu den letzten großen formalen Neuerungen des Metal. Seine Entwicklung seither war durch Abstraktion geprägt. Entfernten Earth nur Drums und Vocals, haben die Sunn O))) einen gänzlich a-rhythmischen Metal erfunden. Das Genre steht seither im Ruf, eine rein texturale Kunstfrom zu sein. Demgegenüber präsentiert Ben Frosts neues Album eine Rückkehr zu dem Gründungsmoment des Genres. »Scope Neglect« re-orientiert sich an der rhythmischen Finesse von Terry Riley und der Westküsten-Minimalisten. Seine Kollaborateure, der Bassist Liam Andrews und Car-Bomb-Gitarrist Greg Kubacki, steuern dissonante Metal-Riffs bei. Frost arrangiert sie, kombiniert sie mit elektronischen Beats, Drones – und Aufnahmen von Pottwalen. So entsteht eine widersprüchliche Form, die so aggressiv wie zurückhaltend sind. Diese disparate Mischung wäre nicht halb so gut, wäre Frost nicht ein genialer Sound-Designer. Es wird 2024 vermutlich nicht viele Alben geben, die klarer und plastischer klingen als »Scope Neglect«. Gleichzeitig fühlt es sich genuin innovativ an, wie eine Reaktivierung der Sprengkraft von »Earth 2«. »Scope Neglect« ist ein kalter Stern – strahlend, unnahbar und unermesslich schwer. Das Jahr ist noch jung. Aber ich gehe stark davon aus, dass ich Ende 2024 versuchen werde, Ben Frost auf unsere Best-of-Liste zu bekommen.