Review

Betty Harris

The Lost Queen Of New Orleans Soul

Soul Jazz • 2016

Mit der Emanzipation bleibt es schwierig. Da hat man eine großartige Sängerin wie Betty Harris die in den 1960er Jahren eine Soul-Hymne nach der anderen raushaut, mit einer Stimme, die genau das richtige Maß an Dringlichkeit, Rauchigkeit und Volumen hat, um ihr ganz großen Ruhm zu bescheren. Die Produktionen von Allen Toussaint stimmen ebenfalls: schmutzig, funky und immer schön detailfreudig. Doch ihr Label Sansu wird vor allem in ihrer Heimatstadt New Orleans vertrieben, was einer größeren Bekanntheit im Rest der USA im Weg steht. Und dann ruft irgendwann die Familie, und Betty Harris beschäftigt sich fortan mit der Kindererziehung. Bei einem James Brown wäre so eine berufliche Entscheidung ziemlich undenkbar gewesen. Andererseits hat das abrupte Ende von Betty Harris’ Karriere als Sängerin womöglich zu ihrem Mythos beigetragen. Besser ein schmales, aber makelloses Oeuvre statt einer Laufbahn mit gelegentlichen Tiefpunkten oder einem stetigen Abstieg. »Betty Harris – The Lost Queen of New Orleans Soul« versammelt 17 Nummern von ihren zwischen 1962 und 1969 entstandenen Singles, A- wie B-Seiten völlig ohne Tadel. Man kann darauf bestens nachhören, was für eine Stimme der Soul-Musik damals abhanden gekommen ist. Zum Glück nicht für immer: Seit 2005 singt Harris wieder.