Bon Iver fordern auf »i,i« mit musikalischen Experimenten heraus, die sich vom verträumten Indie-Folk der ersten beiden Platten noch weiter entfernen. Wer hingegen »22, A Million« mochte, fühlt sich mit ihre vierten Studioalbum wohl. Die Musik klingt collagenartig. Wo in älteren Stücken wie »Calgary“ oder »Creature Fear« ein sphärischer Grundton die Stimmung durchzog, reichern Bon Iver auf »i,i« die von Akustikgitarren, Piano und Bläsern getragenen Lieder durch elektronische Elemente an. Der Prismizer-Effekt, der Justin Vernons Stimme schon auf früheren Projekten verfremdet hat, kommt auch hier zum Einsatz. Diesmal setzt er ihn allerdings deutlich sparsamer ein – häufig nur für den Hintergrundgesang. Dass Vernon singen kann, muss er nicht beweisen. Dennoch reizt er seine Baritonstimme immer wieder aus – oft nutzt er die Kopfstimme. In »Jelmore« trifft sein sanftes Organ auf dissonante Synthie-Flächen, lässt sich davon aber nicht aus der Bahn werfen. Im Gegenteil: Dass Vernons Vortrag im Mittelpunkt steht, daran kommt im Laufe der 40 Minuten kein Zweifel auf. Zeit für das alleinige Scheinwerferlicht bleibt ihm aber auch. Die Pianoballade »U (Man Like)« verzichtet weitestgehend auf elektronische Spielereien und setzt lediglich mit einer Mundharmonika Akzente. »Marion« zeigt sich mit einem rein akustischen Arrangement ebenfalls spärlich. »The dawn is rising / the land ain‘t rising«, heißt es in »Holyfields« und meint die Folgen des Klimawandels. So deutlich wird Vernon auf den restlichen 13 Stücken selten. Seine Texte bieten stattdessen Raum für Interpretationen, klingen trotzdem nicht verschachtelt. Darin liegt die Stärke von »i,i« auch auf der musikalischen Ebene. Das Album besitzt einen hörbaren Anspruch, der jedoch nicht künstlich überfordern soll.
I,I