Review

Sharon Van Etten

We’ve Been Going About This All Wrong

Jagjaguwar • 2022

Wenn diese Alben existieren, bei denen sich die Metamorphose eines Künstlers hören lässt – dann ist »We’ve Been Going About This All Wrong« genau dies nicht. Sharon Van Etten macht auf ihrem sechsten Album weiterhin Musik, zu der sich Rotwein leeren und die Welt scheißen finden lässt. Sogar sehr gut. Und die gute alte Klimax beherrscht Sharon Van Etten weiterhin wie kaum wer sonst. In »Headspace« fleht sie: »Baby, don’t turn your back on me.« Dazu sägt sich die Gitarre durch den Rhythmus, während ein alter Synthesizer ein paar Töne in den Song wirft. Auch »I’ll Try« vermählt ähnlich geschickt verpeiltem Indie-Charme mit Ideen aus dem Pop der Achtziger. Im Interview mit dem US-Magazin Billboard sagte die 41-jährige US-Künstlerin, dass sie ja auch nicht weiß, warum sie sich das angetan habe, diese Höhen und Tiefen und Gesangseinlagen, die sie auf dieses Album gebracht hat. Was Blödsinn ist. Sie weiß es ganz genau. Weil diese Musik nur ohne Distanz funktioniert. Bei jedem der zehn Songs braucht es das Gefühl, dass Sharon Van Etten auf der Couch im Wohnzimmer sitzt, wir davor auf dem Boden und auf einmal fühlt sich niemand mehr allein, die Welt ist zwar weiterhin scheiße, aber lässt sich aushalten. Niemand verwandelt sich. Vielmehr richtet sich der Blick nach innen. Und wer so durch die eigene Seelenlandschaft streift, könnte sich kaum einen besseren Soundtrack dafür wünschen als »We’ve Been Going About This All Wrong«.