Review

Bremer / McCoy

Utopia

Luaka Bop • 2019

Blätter rascheln, Wasser plätschert, Wurzeln schlagen – die Naturburschen Jonathan Bremer und Morten McCoy streifen auf ihrer vierten Platte »Utopia« durch dänische Wälder. Nicht um unter Kastanienbäumen high zu werden und plärrende Gedichtzeilen rauszupfeffern. Sondern um für David Byrnes Label Luaka Bop den Moosteppich auszurollen. Und um zu zeigen, was sich mit Bass, Keyboard und einer fetten Hallfahne anstellen lässt. »Utopia« ist das musikalische Pendant zu Herbstspaziergängen am Land. Eine Erinnerung an den Sommer, der sich in Gedanken gerade so viel besser anfühlt, als er tatsächlich war. Zu Hause streamt man sich mit »Call Me by Your Name« in die norditalienischen Sommermonate der 1980er Jahre zurück, verdrückt deswegen eine Träne und kuschelt sich mit warmer Sojamilch aufs Sofa, bevor man die Tageslichtlampe rauskramt, weil die verdammte Winterdepression ans angelaufene Fenster klopft. Jetzt muss Musiker her. Und zwar dalli! Blöd, dass man sich vor Monaten mit dem Primavera-Geklimper von Ludovici Einaudi den YouTube-Algorithmus zerschossen hat. Glück, dass sich die Instrumentalstücken des Bassisten Bremer und Pianisten McCoy wie ein emotionaler Defibrillator auf die Brust schnallen lassen. Vom ersten Bassgezupfe an geht das Ding straight in die Nervenbahnen, wirbelt den Gefühlshaushalt durcheinander wie Kinder einen Laubhaufen und reißt einen für eine Dreiviertelstunde aus dem grauen Loch.