Review

Cosey Fanni Tutti

Tutti

C.T.I. • 2019

Ein »Audio-Selbsportrait« ist Cosey Fanni Tuttis erst zweites Soloalbum geworden. Es besteht aus manipulierten Aufnahmen ihrer inzwischen fünfzig Jahre umfassenden Laufbahn als eine der außergewöhnlichsten Künstlerinnen ihrer Zeit. 2017 erschien Tuttis Autobiographie »Art Sex Music«, in der sie ihr Leben als Performance-Künstlerin, Stripperin, Pornodarstellerin und natürlich Musik-Revolutionärin als Mitglied von Throbbing Gristle zusammen mit ihrem Partner Chris Carter als Chris & Cosey und solo, rekapituliert. Wenn ihr Motto »my life is my art, my art is my life« auch pathetisch daherkommen mag, so ist es doch bei wenigen Menschen so passend wie bei Tutti, die ihr ganzes Schaffen gegen die vorherrschenden Konventionen stellte. Die Vergangenheitsform ist gewollt, haben sich die Konventionen doch inzwischen verändert. Gerade im musikalischen Bereich baute später vieles auf dem auf, was Cosey Fanni Tutti in ihren verschiedenen Formationen mitentwickelte, von der Anti-Haltung des Punk über die Ästhetik von Industrial bis zu den Sampling- und Edit-Techniken neuerer Tage. So bekommt ihr Wirken inzwischen, gerade mit der Veröffentlichung ihrer Autobiographie, etwas museales, in das sich »Tutti« einfügt. Komponiert wurden die Stücke als Soundtrack des autobiographischen Films »Harmonic Coumaction«, der 2017 als audiovisuelle Installation in London ausgestellt wurde. Und so kann man sich vorstellen, dass das Album in diesem Rahmen, als »audio-visuelles Selbsportrait«, wahnsinnig gut funktioniert. Als reines Hörerlebnis bleibt es, von Highlights wie »Tutti« und »En« abgesehen, ein eher zahmes Werk. Die an- und abschwellenden Synthesizerflächen, die dronig-düstere Verspultheit entfalten eine hypnotische Wirkung, die jedoch bei ihrem Debütalbum »Time To Tell« 1982 noch besser funktionierte. Die Soundscapes, die »Tutti« aufmacht, wurden in der Zwischenzeit längst von Technoproduzenten ausgereift. Was den Wert des Albums allerdings nicht mindert, sondern lediglich zeigt, welche Auswirkungen das Schaffen Cosey Fanni Tuttis in den letzten Jahrzehnten hatte.