Ein misogyner Philosoph meinte einmal, Menschen seien wie Stachelschweine im Winter. Sind sie zu weit voneinander entfernt, frieren sie – zu nah, fügen sie einander Schmerzen zu. Die Screamo-Band Dreamwell weiß, wie erdrückend Nähe sein kann. Ihr zweites Album »In My Saddest Dreams, I Am Beside You« ist von Misere durchzogen. »You kept me warm, but took my breath«, haucht Keziah Staska ins Mikrophon. Intimität ist der Stoff, aus dem Albträume gemacht sind. Verzweifelt webt Dreamwell klaustrophobische Soundscapes. Wie bereits auf ihrem Debüt, »Modern Grotesque«, ist der Einfluss von Pianos Become The Teeth spürbar. Doch »In My Saddest Dreams, I Am Beside You« ist technisch versierter, oppressiver. Nirgends zeigt sich das besser als auf »All Towers Drawn In The Equatorial Room«. Dieser Biss ins Genick erinnert mehr an Pyrrhons Dissonant-Tech-Death als an Emo. Er ist atemberaubend. Doch mit Überforderung geht ein Trade-Off einher. »Modern Grotesque« war kathartisch und erlaubte deshalb emotionale Verbindung. Auf »IMSD,IABY« gibt es weder Erlösung noch unverdächtige Beziehungen. Entsprechend schwerer ist es, sich darauf einzulassen. Doch Dreamwells erdrückenden Atmosphären machen Unterdrückung (an-)greifbar. Die Band spricht offen über ihre Erfahrungen mit emotionalem Missbrauch, PTSD und Transsexualität. Schmerz ist ihnen kein natürliches Nebenprodukt von Nähe. Wer das behauptet, versucht nur Machtverhältnisse zu rechtfertigen. Dreamwells Schreie erschüttern fahle Vorwände. Sie gehen ins Mark.
Huntsmen
The Dry Land
Prosthetic