Review

Edward

Teupitz

White • 2012

»Es gibt vielleicht keine seelische Erscheinung, die so unbedingt der Großstadt vorbehalten wäre, wie die Blasiertheit« stellt Georg Simmel 1903 in seinem Aufsatz »Die Grosstädte und das Geistesleben« fest und führt diesen Charakterzug auf die urbane Reizüberflutung – oder »Steigerung des Nervenlebens« wie er es nennt – zurück. »Indem die Großstadt gerade diese psychologischen Bedingungen schafft – mit jedem Gang über die Straße, mit dem Tempo und den Mannigfaltigkeiten des wirtschaftlichen, beruflichen, gesellschaftlichen Lebens – stiftet sie schon in den sinnlichen Fundamenten des Seelenlebens (…) einen tiefen Gegensatz gegen die Kleinstadt und das Landleben, mit dem langsameren, gewohnteren, gleichmäßiger fließenden Rhythmus ihres sinnlich-geistigen Lebensbildes.« Hoffnung naht jedoch für die Metropoliten, denn Gilles Aiken alias Edward fängt die rurale Harmonie der Peripherie meisterhaft ein, macht sie mit der Coolness der Stadt kompatibel und bringt sie dort in die Wohnzimmer und Clubs. Inspiriert von der pittoresken Landschaft des brandenburgischen Städtchens Teupitz liefert er uns mit dem gleichnamigen Platte ein Chef-d’œuvre, deren Bezeichnung als Konzeptalbum schon wieder zu viel ihrer innewohnenden Magie zunichte machen würde. Eine klassisch anmutende »Prelude«, zwei Zwischenspiele und sorgsam dosierte Collagen stellen jedoch die musikalische Klammer dar, innerhalb derer sich ein subtiles, sphärisches Klanguniversum entfaltet, begleitet von Beats, die sich häufig bescheiden im Hintergrund halten, auch mal als Shuffle hervorgrooven (»Der Tag, zweite Fassung«) oder sich gar zu einem großartigen Soundgewitter aufbäumen (»Control« feat. Sara Clarke). Chicago-House, Detroit-Techno, Berlin-Minimal und Brandenburg-Soul in einem.

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