Review

Ghia

Curaçao Blue

The Outer Edge • 2022

Die Balearen sind nicht Bielefeld. Trotzdem schippern wir mit Ghia von NRW nach Ibiza. Lutz Boberg und Frank Simon, zwei Physikstudis, haben das Projekt Mitte der Achtziger gegründet. Man spielte Musik, bei der weiße Leinenhosen in der warmen Brise flattern, die Sonne hinter Palmenhainen untergeht und Drinks nach Ananas und Kokos schmecken. Dass zum ersten Mal ein ganzes Album von Ghia erscheint, hängt mit der Penetranz von John Raincoatman zusammen. Der Labelchef von The Outer Edge kannte zwar nur zwei Tracks, die Ghia vor einem halben Insulanerleben auf 7inch gepresst hatten, doch er wusste: Da ist mehr zu holen. Also schrieb er E-Mail um E-Mail. Irgendwann sei schließlich ein Karton voller Masterbänder vor seiner Tür gestanden.  Der Rest ist Jazz-Funk-History. Mit »Curaçao Blue« erscheinen elf Tracks, fast alle sind bisher nur im Homestudio von Boberg und Simon aus den Lautsprechern gerauscht. Eine Verfehlung, die das Berliner Label zur richtigen Zeit behebt. Mit der Scheibe lassen sich zwar keine Heizkosten einsparen. Die gedankliche Reise aus der Drei-Pullover-Realität an den All-Inclusive-Strand schaffen wir mit »Curaçao Blue« aber locker. Um es in den Worten von Raincoatman zu sagen: »Wer hätte sich vorstellen können, dass zwei Physikstudenten aus einem deutschen Städtchen so mitreißende Musik machen könnten?«