Review

Hanno Leichtmann

Unfinished Portrait Of Youth Today

Karlrecords • 2015

Als Hanno Leichtmann vor gut zwei Jahren die Reste seiner jugendlichen Kassettensammlung nach Sample-Material durchforstete, um daraus seinen Beitrag für die britische Tapeworm-Reihe zu erstellen, war das Thema eigentlich schon durch. Um die Jahrtausendwende war eine Tradition der Verdichtung und Dekonstruktion eingängiger Formate in diversen Sample-basierten Zugängen kulminiert, die man hier bis zu Erik Saties »Musiques d’ameublement« zurückführen darf, und die sich damals unter den Händen von Oval Curd Ducas »Easy Listening«, den »Loop-Finding-Jazz-Records« von Jan Jelinek auf tausend Plateaus verteilte. Hanno Leichtmann, u.a. auch Bandkollege von Jan Jelinek in Groupshow, als Drummer und Elektroniker vielseitig unterwegs in der Berliner Landschaft zwischen Pop und Minimalismus, hat sich für »Unfinished Portrait Of Youth Today«, das hier nun in leicht erweiterter Fassung auf Vinyl erscheint, ein besonderes Verfahren ausgedacht, das den Loopschnipseln in einem modularsynthetischen Aufbau eine klare und doch belebte Ordnung verleiht, die über klassische Loop-Ansätze hinausgeht. In der formelhaften Liedhaftigkeit des Frage- und Antwort-Spiels der Phrasen klingt nicht nur Satie, sondern auch der Konzept-Pop des „Commercial Album“ der Residents an. Neben den plunderphonischen Genreklassikern John Oswald und Stock, Hausen & Walkman ist es aber vielmehr Yasuaki Shimizus »Music for Commercials«, auf die Hanno Leichtmann sich als Inspirationsquell beruft. Deren verführerisch utopische Leichtigkeit passt auch viel besser zu den romantischen Residuen, die sich hier in den insgesamt 29 Anderthalbminütern die Klinke in die Hand geben. Dass diese unscheinbaren Stücke sich so angenehm durchhören lassen, liegt aber vor allem an ihrer austariert lockeren Bauweise, die den einlullenden Strukturen Leben einhaucht, sie dabei auch ein wenig unheimlich macht. Freundliche Pop-Zombies, deren unvorhersehbare Ticks das Ohr kitzeln. Über die gesamte Länge trägt das nicht, aber das ist ja das Schöne an Platten und an Tapes: dass sie in zwei Hälften kommen.