Review

Herb Geller

An American In Hamburg/The View From Here

Tramp Records • 2013

Gut 15 Jahre liegen zwischen Geller‘s Album »Gypsy« und dem vorliegenden Nachfolger von 1975. Und das obwohl »The View From Here/An American in Hamburg« in guter alter Jazztradition an gerade mal zwei Nachmittagen eingespielt war. Was zwischen den beiden LPs lag? Herb‘s Lebensmut, und zwar am Boden! Laut Downbeat war er fünf Mal in Folge einer der Top 5 Holzbläser seiner Zeit. Zudem langjähriges Mitglied der Benny Goodman Big Band, damals die renommierteste, die es gab. Er hatte eine junge Tochter mit der Pianistin Lorraine Walsh… Mit solch einem Résumé vor Abschluss des 30. Lebensjahres sollte eigentlich kommen können, was wolle. Ist es dann aber das Leben mit voller Breitseite, verliert man unversehens den Überblick. Urplötzlich stirbt seine Frau und es beginnt für ihn eine mehrjährige Odyssee als Nomade, die ihn über Südamerika und den alten Kontinent bis nach Hamburg treibt. Was ihm letztendlich dazu verhalf, wieder Fuss zu fassen, war Christine Rabsch, die Ende 1963 ihren Nachnamen in Geller änderte. Und eben diese neue Raison d‘être und die daraus resultierende Liebe durchströmte die Folgejahre, die von einer weiteren Tochter und der Partizipation in sowohl Herbolzheimers RC&B wie auch der Clarke-Boland Big Band gekrönt waren. Wo man auf »Gypsy« den außerordentlich begabten Berufsmusiker Geller hören konnte, so bietet der hier vorgestellte Longplayer den Menschen Herb, der seiner Berufung folgt. Sich dem Jazz-Funk der Zeit unbedingt hingebend, mit einer unmittelbareren, fast schon kindlich törichten Annäherung an die Materie. Verspielt durch durch und durch, und den Angelpunkt nicht mehr intellektuell sondern viszeral definiert. Mit dem Blick neu geeicht für die wirklich wahren Dinge. Eben. Das macht ein Künstler – Leben! Aus!