Um José Mauro ranken sich einige Legenden. Bis vor wenigen Jahren hielt sich das Gerücht, der brasilianische Musiker sei nach seinem Debütalbum »Obnoxious« aus dem Jahr 1970 bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Oder zum Verschwinden gebracht worden. Mauro war zur Zeit der brasilianischen Militärdiktatur aktiv und man munkelte, die Junta stecke hinter seinem Tod. Sein zweites Album »A Viagem Das Horas«, im Jahr 1976 erschienen, galt daher als postumes Werk. Allerdings hatte das britische Label Far Out schon bei der Wiederveröffentlichung von »Obnoxious« im Jahr 2016 erfahren, dass Mauro wohlauf sei und lediglich ein zurückgezogenes Leben führe. Nach eigener Auskunft holte sich das Label jetzt für die Neuauflage von Mauros bis dato letztem Album – mit drei zuvor unveröffentlichten, ursprünglich für die Platte vorgesehenen Titeln – dessen höchstpersönlichen Segen. Was den jenseitigen Eindruck dieser Angelegenheit so lange befördert haben könnte, ist der Charakter der Musik selbst. Mauro mischt Orchester- und Big-Band-Ansätze, wie sie in der Música Popular Brasileira seinerzeit üblich waren, mit spartanischen Folk-Arrangements. Bei ihm erinnern die Klänge seiner Gitarre und der begleitenden Candomblé-Perkussion jedoch, sofern ein Vergleich gestattet ist, weniger an João Gilbertos »João«-Album als vielmehr an eine lateinamerikanische Version von Nick Drake. Was auch an Mauros warm-belegtem Bariton liegen dürfte. Aus seiner Stimme spricht weniger kontrollierte Leichtigkeit als eingehegte Trauer. Eine beschwerte Schönheit, die man als stille Form des Protests hören kann. Sie strebt entschlossen woanders hin. Wobei dieses Woanders nicht zwangsläufig nach dem Leben kommen muss.
A Viagem Das Horas