Review

Julia Jacklin

Pre-Pleasure

Transgressive • 2022

Wenn ein Masturbationsversuch scheitert, weil man sich plötzlich an die eigene Kindheit und Erziehung erinnert, dann ist einiges im Argen. Die Sängerin und Songwriterin Julia Jacklin ist nach ihrem herausragenden Ermächtigungsalbum »Crushing« in ihrer Selbstreflexion erneut schonungslos und arbeitet auf »Pre-Pleasure« weiter an einem Zugang zu sich selbst und ihren Mitmenschen. Doch das mit der Klimax ist eben so eine Sache bei der Australierin, die für ihr drittes Album gelegentlich die Gitarre gegen das Klavier tauscht. So wirken ihre schüchternen und einfühlsam Versuche manchmal wie ein angedeuteter Schrei, der die emotionale Explosion absichtlich vermeidet, wenn sie im Refrain von »Love, try not to let go« mit geballten Fäusten gerade noch so die Kontrolle behält. Beaufsichtigt wird die 32-jährige beim versierten Songwriting von Co-Produzent Marcus Paquin (The National, The Weather Station), der Jacklin in den intimen Moment dieselbe Eindringlichkeit verleiht, wie in den Momenten, in denen ihre kanadische Live-Band sie nach vorne schiebt. Vom Folk ihres Debütalbums sind dabei höchstens noch Ansätze zu erahnen, was »Pre-Pleasure« zugutekommt, da alles pointierter und zielstrebiger klingt. Trotzdem fühlen sich die zehn emotionalen Songs wie eine lange, lange Lunte an, bei der man die ganze Zeit den Knall antizipiert, der dann nicht kommt. So kommt sie dem Höhepunkt unerträglich nah, aber kurz davor ist Schluss.