Review

Aldous Harding

Warm Chris

4AD • 2022

Falls Wirrköpfigkeit als unique selling point durchgeht, ist man gut beraten, Aldous Harding zu sein, um ihn zu vermitteln. Dank des Mysteriums, das die Neuseeländerin und ihren Rätsel-Folk umgibt, nimmt die Verzückung ihrer Fans zwischen den Releases nicht ab. Mit »Warm Chris«, ihrem vierten Album, haben wir jetzt mehr Stoff, dieses Mysterium zu ergründen. Unter den Mitwirkenden sind neben John Parish (wieder als Produzent) auch Schlagzeug-Chamäleon Seb Rochford und: Sleaford Mods-Frontrüpel Jason Williamson. Was im ersten Moment irritiert, macht dann doch Sinn. Auch Hardings Musik war ja schon immer zu rebellisch für jede noch so breit aufgestellte Art-Pop-Schublade. Die zehn Songs sind mit zurückgelehnter Percussion, gezupfter Gitarre, luftiger Klavierbegleitung und Bläsereinblendungen plastisch und greifbar. Ganz anders als die Texte. Aber Aldous Harding trägt ihre lyrischen Rätsel so selbstverständlich in manierierten Idiolekten und verschiedenen Timbres vor, dass man sich beim Hören fühlt wie beim Lösen von Rebussen: auch ohne Plan, was gemeint sein könnte, spürt man doch, dass hier viel dahintersteckt. Vielleicht, weil niemand auf so logische und zartklingende Weise Wirrköpfigkeit mit Eleganz verbindet wie Aldous Harding. Weil hier das Tragikomische keinen Klamauk braucht, um mutig zu klingen. Und weil den Texten und Kompositionen zu viel Scharfsinn zugrunde liegt, als dass sie am Ende nicht mehr als aufmüpfig wären. Die Verzückung wird auch diesmal bleiben.