Review

The Golden Dregs

On Grace & Dignity

4AD • 2023

Ein Pandemie-Album der etwas anderen Art legt Benjamin Woods als The Golden Dregs mit »On Grace And Dignity« vor. Während andere Künstler vor allem die Isolation, den Mangel an kreativem Input und den fehlenden Publikumskontakt während der Corona-Zeit verarbeiten, hatte Woods ganz andere Probleme, als er seinen Job in der Bar der Tate Modern verlor und von London in seine Heimat Cornwall fliehen musste. Dort fand er nur als Hilfsarbeiter auf einer Baustelle bezahlte Arbeit und stand statt auf der Bühne knietief im Schlamm eines Sozialbaus. Solche düsteren Szenen lieferten die Inspiration, die Woods nun in den neun Songs (plus Intro) von »On Grace And Dignity« in eindrucksvolle Geschichten gießt. Die Gentrifizierung aus der Sicht eines Bauarbeiters etwa oder, inspiriert von Graham Greenes Kurzgeschichte »The Destructors«, die blinde Zerstörungswut einer frustrierten Jugend. Seine fast literarischen Texte singt The Golden Dregs mit tiefer Grabesstimme irgendwo zwischen Nick Cave und Lambchops Kurt Wagner, meist über getragenen Pianoakkorden und sanfter Instrumentalisierung. Bei einigen Songs wie dem frühen Album-Highlight »American Airlines« oder dem entspannten Folk-Rock »Not Even The Rain« wird aber auch der komplette Bandsound ausgepackt und die Klangpalette immer voller. Wie der Titel schon sagt, strahlt das Album in der Tat Anmut und Würde aus – da vergisst man schnell, dass die Basslinie des Refrains von »Sundown Lake« sehr an den Instrumentalpart von ausgerechnet »99 Luftballons« erinnert…