Review

Kevin Richard Martin

Sirens

Room40 • 2019

Die Atmosphäre auf Kevin Richard Martins erstem Album unter eigenem Namen ist erschreckend trostlos: Eiskalter Wind fegt durch einen zugigen U-Bahnschacht, in einiger Entfernung arbeiten geräuschvoll Generatoren und schwere Rotoren, untermalt von einer klagenden Sirene. Der englische Producer verzichtet bei seiner Arbeit an »Sirens« weitgehend auf Songstrukturen und erzeugt stattdessen durch dunkle Ambienzen und mahlende Drones tief verstörende Stimmungen von Einsamkeit, Furcht und Verlassenheit. Große Maschinen scheinen durch riesige Hallräumen zu rauschen; Alarm-Signale schwellen an und ab und allertiefste Bassfrequenzen treffen auf Herzschlag-artig pulsierende Beats. Zusammen mit dünn klagenden Flötentönen erzeugt Martin so einen verlassen anmutenden Nebel-artigen Gesamtklang, in welchem Zeit, Raum und jegliche Orientierung zu verwischen scheinen. Dabei kommen die Tracks obskuren Field Recordings wesentlich näher als alles andere in seinem Genre-sprengenden und für freundliche Sounds ohnehin nicht bekannten musikalischen Kosmos aus Projekten wie The Bug King Midas Sound oder Techno Animal. Der Musiker verarbeitet mit »Sirens« seine Verzweiflung und emotionale Lähmung in der Zeit nach der Geburt seines Sohnes, dessen Leben nur durch mehrere lebensbedrohliche Operationen zu retten war. Ein schwer zu ertragendes und dabei herausragendes Album, dass sich nicht einfach nebenbei konsumieren lässt, sondern eines, dass der Hörer aushalten und sich Track für Track erarbeiten muss.