Review

Lewis

L’Amour

Light In The Attic • 2014

Die Geschichte ist schon mal toll: Auf einem Flohmarkt im kanadischen Edmonton taucht die Platte »L’Amour« eines Künstlers namens Lewis auf. Veröffentlicht im Jahr 1983, privat gepresst von den unbekannten R.A.W. Records. Auf dem Cover ein unnahbar-smart dreinblickender Mann mit entblößtem Oberkörper und nach damaligen Standards perfekt frisiertem Haar. Das Label Light In The Attic, von dem das Album jetzt wiederveröffentlicht wurde, stieß bei seinen Recherchen auf den Fotografen Ed Colver, der das Titelbild aufnahm. Den Auftrag erhielt er von einem gewissen Randall A. Wulff, dieser fuhr im weißen Mercedes-Benz Cabrio vor, an seiner Seite ein mutmaßliches Model. Wulff bezahlte Colver mit einem Scheck, der, wie dieser später feststellte, nicht gedeckt war. Über Wulff ist ansonsten wenig aktenkundig, man vermutet, er war Börsenmakler. Dessen musikalische Ambitionen waren für seine Zeit höchst ungewöhnlich. Seine zehn Songs zeigen ihn als introvertierten Sänger, zur Begleitung genügen ihm akustische Gitarre, Klavier und schüchterne Synthesizer-Klänge, wobei angesichts der kaum hörbaren Stimme die Frage berechtigt scheint, ob nicht vielmehr Letztere die übrigen Instrumente begleitet. Titel wie »Cool Night in Paris« oder »Romance For Two« lassen Schnulziges befürchten, doch Lewis bietet stattdessen fragile Skizzen, die mal einen Blues andeuten, mal aufs Äußerste reduzierten Pop erkunden, der nie ganz von dieser Welt zu sein scheint. Besonders die an Angelo Badalamentis Lynch-Soundtracks erinnernden Synthie-Streicher geben »L’Amour« etwas Gespenstisches, das eher zu Hauntology und Chillwave als zu Achtziger-Pop zu passen scheint. Aufs Ganze gesehen wirken die Stücke im Aufbau aber recht gleichförmig und bekommen mit dem – vermutlich bewusst in den Hintergrund gemischten – unsicheren Gesang eine leicht dilettantische Note. Was zugleich den Reiz der Platte ausmacht. Die Sache bleibt dennoch ein ambivalentes Vergnügen.