Warum ist das eigentlich so toll, wenn jemand singt und dabei dieselben Töne hervorbringt wie eines der Instrumente, die ihn oder sie begleiten? Der kanadische Pianist Glenn Gould war ja schwer genervt, wenn etwa bei Mussorgskis »Bildern einer Ausstellung« seine linke Hand dasselbe tun musste wie die rechte. Vielleicht hatte er einfach etwas gegen unisono. Bei seinem brasilianischen Kollegen Manfredo Fest war das etwas anders, denn da begleitet das Fender Rhodes sogar sehr gern die Gesangsmelodie, Note für Note. Und der Effekt ist locker und elektrisierend, was aber auch am zugrundeliegenden Material liegen dürfte. Tänzeln, kreiseln, ätherisch hohe Höhen meisternd, das Titelstück des Albums »Brazilian Dorian Dream« ist Bossa Jazz der ansteckend eleganten Sorte. Mit Fest an den Tasten, der Sängerin Roberta Davis und ansonsten lediglich Bass und Schlagzeug, ist das 1976 erschienene – Obacht, Fusion! – dritte Album des blinden Pianisten spartanisch besetzt, klingt aber nie dünn, sondern herrlich aufgeräumt klar. Für die Dichte sorgt die unaufdringliche Polyrhythmik. Wer übrigens beim Namen Pat Metheny nicht gleich vor Schmerzen aufschreit, könnte zum Spaß einmal diesen brasilianischen dorischen Traum neben einem der Bossa-inspirierten Fusion-Alben Methenys wie „Speaking of Now“ anhören. Bei Fest könnte der jedenfalls die eine oder andere Anregung erhalten haben. Was den Umgang mit der Stimme angeht allemal.
Brazilian Dorian Dream