Mit Solo-Piano-Alben machen sich Künstler*innen nicht nur nackt, sie positionieren sich nicht selten auch außerhalb gängiger Referenzmodelle. Bei Versuchen der Kategorisierung bleibt dann oft nur der kleinste gemeinsame Nenner: Es ist ein Solo-Piano-Album. Das Debüt der japanischen Pianistin Masha Hayaska ist wie ein Beweis für diese These. Man könnte an jeder beliebigen Stelle kurze Sequenzen isolieren und sie fachkundigen Menschen in einem Blindtest vorspielen, und es käme wahrscheinlich zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen.
Das erste Stück »*« bewegt sich irgendwo zwischen Arnold Schönberg und Paul Bley. Wenn Hayasaka etwas härter in die Tasten greift, taucht sofort Thelonious Monk vor dem geistigen Auge auf. Der Impressionismus eines Roger Eno steckt ebenso in den Improvisationen wie die Outsider-Musik der äthiopischen Nonne Emahoy Tsege Mariam Gebru. Erik Satie und die minimalistische Klarheit seiner Kompositionen sind ohnehin in allen 15 der »Piano Études« zu hören. Mashu Hayasakas intime Improvisationen kennen nicht nur Gefühlslagen zwischen traurig und noch trauriger, sie vermitteln das ganze Spektrum. Und ein bisschen Spaß scheint der Pianist auch zu verstehen. Das Album beginnt mit dem Geräusch einer anlaufenden Bandmaschine.

Piano Études