Review

Nathan Benn – Kodachrome Memory: American Pictures 1972

1990

Powerhouse Books • 2013

Gerade vor dem Hintergrund, dass Kodak – eines der amerikanischen Traditionsunternehmen und wie wenige andere Firmen Sinnbild für die fetten Jahre der USA – vor einigen Wochen verkündete, die Anfang 2012 beantragte Insolvenz erfolgreich überstanden zu haben, liest sich der nun von Powerhouse veröffentlichte Bildband »Kodachrome Memory: American Pictures 1972-1990« besonders bitter. Alle Patente von einst, die das Unternehmen zur Messlatte in Sachen Fotografie machten, sind verkauft: Kodak ist jetzt ein mittleres Technologieunternehmen und muss seinen Konkurrenten das Feld überlassen. Das war mal anders. Aus den Anfangstagen der Zeit, die der Band beschreibt, stammen die Zeilen, die Paul Simon 1973 dem satten 35mm-Diafilm widmete: »Kodachrome/ They give us those nice bright colors/ They give us the greens of summers/ Makes you think all the world’s a sunny day«. Diese ausdrucksstarken und sehr lebendigen Farben, die die Realität wie kein zweiter Film wiedergaben, springen einem in dem aus dem Archiv von National Geographic-Fotograf Nathan Benn zusammengestellten Buch förmlich in die Augen. Beim Blättern taucht man ein in die einst hochstilisierte amerikanische Kultur, die schon lange Vergangenheit ist. Das Buch ist eine gelungene, teils kritische, teils sehnsüchtige Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und der – wie es im Vorwort heißt – verschwundenen regionalen Vielfalt der USA. Diese zeigt an der einen Stelle südamerikanische Tagelöhner, die sich in dampfenden Wäschereien ihren Hungerlohn erarbeiten oder in Holzbaracken eingepferchte schwarze Familien, um deren unterernährte Körper die Fliegen schwirren. Nicht nur aus dem Land jagen würde sie am liebsten der Ku-Klux Klan, der in einem besonderen Moment ebenfalls abgebildet: wenn die Versammlung nämlich ihre Kapuzen hochzieht. Die hässliche Fratze der USA wird in diesen Bildern in aller Deutlichkeit sichtbar. Doch auch positive Aspekte regionaler Vielfalt werden gezeigt, wie Fotos von Fischern an der Küste bei Sonnenuntergang oder Motive von typischer Vorstadtidylle, samt Caddie, Stars & Stripes und gepflegtem Vorgarten. Größtenteils sind diese Unterschiede der heutigen Uniformität gewichen – auch wenn nur optisch: Rassenprobleme und Armut bleiben bestehen. Ein Band mit Botschaft, der sich auch die Kritik an der Entwicklung der Fotografie nicht verkneifen kann: »Digital cameras, cell phones, and social media have democratized photography, to the point where everyone is a photographer. We look, but we don’t see. By giving meaning to everything, we give nothing value.«

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