Review

Resavoir

Resavoir

International Anthem • 2023

Seit fast zehn Jahren steht das Label International Anthem aus Chicago für eine Grenzmusik mit der denkbar weitesten Auslegung des Themas Jazz. Wenn Instrumental Hip-Hop, elektronische Texturen, LoFi-Folk oder Noise-Collagen mit diesem Jazz-not-Jazz kollidieren, kann das den Genre-Puristen schon mal den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Will Miller, Mitglied der Indie-Folk-Soul-Pop-Band Whitney, veröffentlicht nach »Resavoir« von 2019 das zweite Album seines gleichnamigen Musiker:innen-Kollektivs. Das gute Dutzend Instrumentalist:innen aus der Jazz- und Improv-Szene Chicagos – bei einem Song mit der kompletten Whitney-Besetzung – wird von Miller an Trompete und Flügelhorn angeführt. Die Stücke entsteigen einem frisch gemachten Bett aus watteweichen Synthesizer-Sounds, während die Zimmerdecke voller Geigen, Flöten und Klarinetten hängt. Das lässt einen glauben, die Welt wäre dann doch ein ziemlich wunderbarer Ort. Soul-Jazz aus dem Schlafzimmer steht neben Alternative Hip-Hop und Fusion-Jazz, der an den Herbie Hancock aus den späten 70er-Jahren denken lässt, das Album endet mit der spätromantischen Klaviersonate »Facets«. Mit »Resavoir II« bewegt sich Will Miller im Zickzack auf einem weiten Feld, das von der cineastischen Musik David Axelrods, der Library Music aus den Siebzigern und dem Miles Davis der späten Phase abgesteckt wird.