Denkt man an Brasilien und seine reiche musikalische Vergangenheit, tauchen sofort Klischees wie Strand, Carneval und Zuckerhut, Samba, Tropicalia und Baile Funk auf. Hört man allerdings das Debütalbum des brasilianischen Gitarristen Rodrigo Tavares sind die südamerikanischen Einflüsse alles andere als offensichtlich. Der zurückgelehnte, jazzige Vibe von »Congo« erinnert höchstens entfernt an Musikgrößen seiner Heimat wie etwa Tom Jobim oder Caetano Veloso. Wüsste man nicht, dass Tavares aus Brasilien stammt, man würde ihn wohl viel eher in der sanften meditativen Postrock-Szene um Tortoise oder als Teil der etwas jazzigeren neuen Generation (wie BadBadNotGood) vermuten. Umso erstaunlicher, dass Tavares seine Inspiration gerade eben aus einer Rundreise durch sein Heimatland zog, auf der er versuchte, in den abgelegensten Gegenden auf zeitlose Melodien und hypnotische Rhythmus-Pattern aufmerksam zu werden. In diesen neun zeitlosen Instrumentalstücken gelingt es ihm zusammen mit fünf ebenfalls sehr fähigen Mitmusikern, stets die Balance zu wahren; zwischen anstrengend verkopftem Jazz und belangloser Fahrstuhlmusik, zwischen Komposition und Improvisation, zwischen intimen Solo-Vortrag und pompöser Instrumentierung und schließlich zwischen Anspruch und Eingängigkeit. Es bleibt nur zu hoffen, dass so ein abwechslungsreiches wie organisches Werk nicht für irgendwelche Spotify-Chillout-Playlists zweckentfremdet wird.
Congo