Review

The Chi Factory

Travel In Peace

Astral Industries • 2020

Als Hanyo van Oosterom letztes Jahr im Hochsommer die ersten Demotapes mitsamt der letzten Live-Aufnahmen von Jacobus Derwort als »Bamboo Music« sorgsam erweitert und geremixed wiederveröffentlichte, hielten die meisten das für eine Art Epitaph auf dem Grab des niederländischen Ambient-Visionärs. Derwort hatte seit den späten 1980er Jahren eine komplett eigene musikalische Flora und Fauna kultiviert, mit mediterran angehauchten Gitarren, Perkussionsinstrumenten, Glocken und Flöten, kitschfrei spirituell und teilweise enorm meditativ. Nach schwerer Krankheit war er am 11. Februar 2019 im spanischen Oliva viel zu früh gestorben, woraufhin Bandkollege van Oosterom kurz darauf zum Felsen Kalikatsou auf der griechischen Insel Patmos reiste, wo das Projekt Chi 1985 seinen Anfang nahm. Alleine spielte er hier die rund 42 Minuten von »Travel In Peace« ein, das nun tatsächlich als finale Begräbniszeremonie von The Chi Factory verstanden werden kann. Gelöst wie Rauch im Wind, ergeht sich die Musik dieser Platte in verwaschenem Trommeln über sanftem Wellengang, verdampft in der Wärme der Morgensonne. Beinahe fühlt es sich so an, als sei der eigene Körper am Strand dieser Insel in der Ägäis angespült worden, wo angeblich die biblische Offenbarung des Johannes, die Apokalypse niedergeschrieben wurde. Ein Hauch von jenseitiger Schönheit, von gelassener Abkehr durchzieht die spongiformen Bässe und träumerischen Naturaufnahmen, die am Ende von einigen der letzten Worte Derworts begleitet werden: »You must keep that going, must continue practicing« – die Praktik der Selbsterkenntnis. Stets changiert die Musik unterschwellig zwischen Mystizismus und Melancholie, was nicht zuletzt der traurigen Thematik von »Travel In Peace« geschuldet ist. Hier endet die Geschichte eines Lebens. Doch die Reise wird als Sons Of Chi weitergehen, wohin auch immer.