Auf seinem letzten Album schob Drew Daniel House-Beats unter Black-Metal-Lyrics und queerifizierte damit mit einem Schlag die Konventionenen eines Genres durch obszöne Konfrontation: Cumshots und Electroclash traten gegen verbohrtes Übermenschentum und andere ideologische Biestigkeiten an. Mit dem Nachfolger »Shall We Go On Sinning So That Grace May Increase« hat sich das Matmos-Mitglied erst eine ganze Weile Zeit gelassen, um seinem Publikum genau das zurückzugeben: Zeit. Er habe nach der Wahl von Donald Trump keine »angry white guy music« machen wollen, erklärt der Produzent, der sich stattdessen mit Sängerinnen wie Colin Self, Angel Deradoorian und Jana Hunter und einer Reihe von Gastmusikerinnen zusammenschloss, um unfassbar zärtliche Musik zu machen. »Shall We Go…« wird von House-Grooves eingerahmt, über weite Strecken dieses Albums aber sind vor allem knisternd-organisches Soundscape-Geraschel, perlige Klaviertupfer, Saxofon-Töne und vor allem Stimmen zu hören, die den titelgebenden Bibelvers rezitieren oder einander mit wortlosen Melodien umranken. Das erinnert in seinem Klangfetischismus mal ebenso an DJ Sprinkles wie das Oval-Frühwerk oder Ambient auf 12k, ist aber tiefenentspannt wie Bella Boo oder Spät-90er-R’n’B und will vor allem zur psychischen Heilung beitragen. Wohligen Wabersounds für wonnige Weltfluchten – das gibt es auch bei Spotify zu haben. Der Unterschied immerhin liegt in der konzeptuellen Strenge, mit welcher Daniel sein Album als Album aufbaut, jede Menge lose Fäden zu einem beruhigenden Fluss statt einem betäubenden Stream zusammenflechtet. Früher war mehr Konfrontation, heute aber jede Menge Trost. Das ist schwer in Ordnung.
The Body
The Crying Out Of Things
Thrill Jockey