
Paul Okraj: 20 Millionen hat Drizzy Drake mit dem letzten Album gemacht. Jetzt will er keine Radiotracks mehr machen, sie spielen ihn erst Recht. Ist er deshalb so wütend?
Florian Aigner: Das ist irgendwie so niedlich, dass er das ganze Intro eigentlich total verunsichert ist und immer von außen auf sich schaut. Komplett das Gegenteil von Cake Cake Cake Carter.
Philipp Kunze: Und das ist halt trotz aller Sich-Selbst-Von-Außen-Sehen-Scheiße, Ego-Balls-Brust-Raus-Drizzy. Um es in Drakes Worten zu sagen: er fängt mit jedem Beat ’ne Affäre an, lebt sich so richtig aus, aber geht dann weiter. Ohne zu jammern, zumindest hier. Drake hat sich auf dem Intro selbst gefunden Warum habt ihr den von allen Songs gewählt?
Florian Aigner: Schon weil der quasi ein Album innerhalb des Albums ist und inhaltlich am relevantesten. Paul wollte ursprünglich »Pound Cake«, ich »The Language«, aber »Tuscan Leather« ist alles auf einmal.
Philipp Kunze: Einerseits findet er sich ultrageil, klar that new Drizzy Drake, that just the way it goes, andereseits pienst er Nicki hinterher und gesteht Fehler ein und schickt dann aber noch Lehrerbotschaften raus (You have to accept no one except yourself) – somewhere between iconic and völlig von der Rolle. DIE Kunstfigur Drake gibt es nicht, es gibt Aubrey, einen scheiss fehlbaren Dude. Aber trotz aller Zerissenheit und drei verschiedener Beats, schafft er es alles miteinander zu verbinden und in eine Musikalität umzusetzen, die Rap-Musik so nicht kennt und mit der sich Aesop-Rock-Fans immer noch unbedingt schwertun wollen.
Paul Okraj: Ihr und eure Metakritik. Können wir dennoch feststellen, dass das der beste Heatmakerz Beat seit Tha Mobb ist? Dieses zurückgedrehte Sample, das Arrangement und die Stelle, an der Boi-1da mehr Druck auf die Snare legt. Da steckt Power dahinter. Wenn man dagegen »Over My Dead Body« oder »Fireworks« vom den vorherigen Alben als Maßstab nimmt, stellt man fest: Drake hat was zu sagen!
Phillp Kunze: Unbedingt festhalten, ja!
Florian Aigner: In a comfortable bed.

Ja, auch nach zahllosen Repeat-Bemühungen ist die Wahrscheinlichkeit sich an keine Line aus »Short Texas« zu erinnern recht groß. Das liegt nicht unbedingt an Western Tinks entspannter, texanischer Delivery, sondern vor allem an diesem ungemein dominanten, melancholischen Saxofon-Loop, das Beautiful Lou brillant mit einer gesrewten Hook und kristallinen Drums kombiniert. Der bisherige Geniestreich eines Produzenten, der nicht nur schon die A$AP-Meute mit Hitze versorgt hat, sondern bisher auch der einzige Grund war einen Kitty Pryde Song mehr als einmal zu klicken.

Der Trägheit amerikanischer Vinyl-Presswerke haben wir in diesem Jahr schon so einige Verzögerungen zu verdanken, Seven Davis Jr.’s Debüt auf Jay Simon’s Must Have Records sei nur als akutes Beispiel exemplarisch genannt. Als fulminanter Nebeneffekt dieser stockenden Produktionsprozesse treten dann solche Erscheinungen wie »Controversy« zutage, die uns die Wartezeit auf die langerwartete EP so manierlich verkürzen. So haut dieser Seven Davis Jr., dessen nähere Existenz gerade erst durchleuchtet wird, also über Soundcloud diese Prince-Coverversion einfach so vom Stapel, dass mir die Stimme stockt. Da atmet einer ganz tief eben jene selbstgenannten Einflüsse zwischen Sammy Davis Junior, Burt Bacharach, Prince, Jimi Hendrix, Aretha Franklin, The Beatles, Al Green, Stevie Wonder, David Bowie und Michael Jackson frei vor der Lunge und weiß diese progressiv aber mit jedweger Leichtigkeit auf House zu übertragen. Ein neuer Liebling der House-Szene scheint hier prädistiniert dafür, die Nachfolge von Romanthony oder Peven Everett anzutreten, die wie keine Zweiten Soul und House assoziieren konnten. Andererseits erinnert mich dessen Soundentwurf irgendwie auch an das Frühwerk der Sa-Ra Creative Partners, die – die Geschichte ist bekannt – früh genug verheizt (überbewertet) wurden. Die Zukunft wirds zeigen, Kutmah, Fubkineven, Kyle Hall und fLako sind bereits große Fans, eigentlich kann nichts schief gehen, oder um es mit Prince zu sagen: Life is just a game, were all just the same. Ähh. Controversy.


Jetzt zum Track: Beispielhaft wie er hier die Kickdrum für eine Viertelnote aussetzt und fortan die vielen Rimshots um die Ecke leiert. Spätestens nach dem vielen Echo auf den Claps ist sicher – das hier ist abermals Drumcomputermagie, wie sie fast nur aus Detroit kommen kann. Und allerspätestens wenn die 12inch erstmal da ist, dürfte »U heard what da man said muthafukka!!« sogar noch in der Reihenfolge steigen.
»And Again« ist Wileys Comeback Party. Zurück auf Big Dada, zurück mit Grime, zurück mit God’s Gift Rudeboy-Chants, befreit von fiesen Festival-Veranstaltern rappt Wiley hier nach eigenen Auskünften wie über einen alten Roll Deep Beat und wir nehmen das direkt zum Anlass mal wieder »Playtime Is Over« in voller Länge auf den Teller zu werfen. Thanks for the reminder, legend!
Ach schön, Kyle Hall macht mal wieder einen dieser schüchtern in den Raum stolpernden und sich langsam über torkelnde Synth-Layers mehr Platz verschaffenden Tracks, der zugleich die Großflächigkeit Detroit’scher Lehrmeister evoziert, aber gleichzeitig so leichtfüßig kickt wie ein früher Ugly Edit. Die im Original von Nosaj Thing platzierten Toro Y Moi Vocals schenkt sich Hall fast komplett, eine Entscheidung, die gar nicht so trotzig ist, wenn man auf solch einem eleganten Groover sitzt, dem nichts hinzuzufügen ist. Erinnert mich das jetzt auch noch irgendwie an Floating Points vor seinem Jazz-Freakout, oder spinne ich?
