Records Revisited: Daft Punk – Homework (1997)

20.01.2022
1997 hat das französische Duo Daft Punk ihr Debütalbum »Homework« veröffentlicht und seit dem eine beispiellose Karriere hingelegt. Das Album war damals noch kein Mainstream, sondern knarzende, knisternde House-Music.

Bei Bands, die es über ein Vierteljahrhundert gibt oder gab, die Weltstars sind und in den Charts landeten, da fragt man sich in der Regel gar nicht mehr, wie es zur Namensfindung kam – und was der Name eigentlich mal bedeutete. Als sich Guy-Manuel de Homem-Christo und Thomas Bangalter, die menschlichen Skelette für den androiden Tanzgenuss, entschieden, sich Daft Punk (also doofer Punk) zu nennen, war das nicht bloß ein Spaß, sondern tatsächlich mit Haltung verbunden.
Das Roboter-Duo machte seine ersten Schritte in der französischen Garage-House-Szene. Dort feierte man fast schon fromm wohlklingenden House mit Jazz-Einfluss und dem Gesang der großen Soul-Diven. Man erinnerte immer wieder an die erste große Disco-Welle, an Donna Summer, an Gladys Knight, an Chaka Khan.

Doch diese Welt sollte bald zu klein werden, man wollte mehr: Genauso wie Punk als Adrenalinspritze ins Herz des Rocks geprügelt wurde und sich der Schock des Neuen, Ruppigen, Harten, Feisten, Boshaften breit machte, so sollten auch Daft Punk der Disco-Musik eine Elektroschock verpassen. Dementsprechend ist auch die Disco-Musik der Daftis nicht einfach nur der Vergangenheit verpflichtet, sondern der krachige Nachfolger einer untergegangenen Zivilisation. Selbst die unausweichlichen Hits »Da Funk«, »Around The World« oder »Alive« sind isoliert betrachtet an Kratzbürstigkeit kaum zu überbieten. Was sich schon darin zeigen mag, dass sie auf halber Lautstärke zu krachig und bei voller Auspegelung (und noch ein wenig mehr) nicht laut genug sein können. Das Ausgangsmaterial – für Interessierte gibt es genügend Youtube-Videos, die Daft Punk-Sample-Quellen erklären -, das in seiner ersten Inkarnation in den 1970er Jahren noch Mainstream und Massenware war, wurde damals Auffangbecken für jene, die langsam vom wachsenden Techno-Business enttäuscht waren. Es wurde zur Musik einer Szene, die zumindest der Sub-Kultur aufgeschlossen gegenüberstand.

Daft Punk – Teachers
DJ Deeon
DJ Milton
DJ Slugo
DJs on the low
Green Velvet
Joey Beltram
DJ Esp
Roy Davies
Boo Williams
DJ Tonka
DJ Skull
DJ Pierre

Natürlich ist »Homework« kein Punk, auch kein doofer Punk: Die Platte ist aber WIE Punk. Die Disco-Welle, die sich ab Mitte der 1990er Jahre Bahn brach, und sich auch in Whirlpool Productions-Hit »From Disco: To Disco« manifestierte, war viel fluider und offener als das schlechterdings doch machistische Punk-Genre. In der Disco, die man damals schon lieber Club nannte, in der Daft Punk aus den Soundsystemen plärrten, war erstmal jeder erwünscht – da hatte man einfach die Ideale der frühen Techno-Szene rüber retten können; man war hippie-esk. Und auch als musikalische Quellen konnte noch der größte Mist mithilfe von rigiden Filtern und den ersten Side-Chain-Anklängen zur kunterbunten Partyware werden.
Dass sie dennoch geprägt waren von ihren House-Wurzeln, zeigten sie in »Teachers« dann gleich offenherzig. Sie nennen dort ihre Lehrer, ihre Vorbilder: Viel House, von Detroit über Chicago bis nach Europa, Funk und Disco. Es ist eine sanfte Welle der Liebe, des Respekts, Witz und unbedarfte DIY-Partykeller-Stimmung, die hier den Ton angibt.

So kommt zusammen, was zusammengehört: Die lustigen Kostüme und der faszinierend einfache Bühnenaufbau des Videos zu »Around The World« passen natürlich zum kindisch-naiven Vocoder-Einsatz, zu den leicht plastikhaften Synths und den harmonischen Akkordfolgen. Die Drum-Machine arbeitet trotzdem Überstunden, schiebt dramatisch hart und crisp.
Daft Punks Angriff auf die Trommelfelle ist auch ein Vierteljahrhundert nach Erscheinen Realität, der Mix ist wunderbar konsistent knallend, zischend, ungeglättet. Das hat man dann doch mit seinen Punk-Vorgängern gemein: Diese Musik soll nicht rund und weich und glitschig sein, sondern eben unbekümmert und deviant.

Was wäre denn »Rollin‘ & Scratchin‘«, das nicht ganz ohne Augenzwinkern die B-Seite zu »Da Funk« war, wenn es gezähmt und weniger brachial daherkäme? Jedenfalls nicht der Elternschreck, den es dank enormen »Knarzfaktor« auch heute noch darstellt.
Klar, Daft Punk haben noch etliche Meisterwerke abgeliefert – zumindest eines noch -, aber die ungezügelte Lust des Debüts erreichten sie dann doch nicht mehr.

Daft Punk
Homework
Parlophone • 1996 • ab 29.99€