Review

Farhot

Kabul Fire Vol.1

Jakarta • 2013

Chabos wissen nicht wer Farhot ist, obwohl der Hamburger Produzent nicht nur die musikalische Verantwortung für Haftbefehls modernen Deutschrap-Klassiker trug, sondern auch Nnekas Œuvre mehrfach verfeinerte und daneben mit Babos wie Megaloh, Fanta 4 oder Talib Kweli verkumpelt ist. Vielseitigkeit ist für Herrn Samadzada also nicht bloß eine Vokabel, die sich in den Pressetext von »Kabul Fire Vol.1« geschmuggelt hat – sie ist Programm. Als Hommage an die gebeutelte Hauptstadt Afghanistans angelegt, begeht er in den 34 Minuten seines Solo-Debüts aber glücklicherweise nicht den Fehler, einen Haufen Orient-Klischees anzuhäufen, in dem er Sitars samplet oder biedere Bauchtanz-Beats im Stile von Erick Sermons »React« rezitiert. Sein Ideen-Schmelztiegel umfasst dafür einen interkulturellen Kosmos (no Funkhaus Europa) nach dem »Best Of Everything«-Prinzip aus Ragga, Rap und klassischer afghanischer Musik. Das ist inkohärent as fuck, aber auch verdammt eingängig. Ob bei der finsteren Orgel-Offensive »Dem Man« mit den britischen Grime-Giganten Kano und Giggs, dem chronisch-überdrehten Kapitalismuskritiker-Trap »Fuck The Money« oder mit melancholischer Realkeeper-Romantik wie »Hey Ya« – jene vorliegenden zwölf Tracks summieren die originelle Frickel-Finesse des afghanisch-stämmigen Beatmakers in Full-HD. Kein Cratedigger-Klugschiss, keine Besserverdiener-Beats, sondern wüsten staubiger Brachial-Bap oder seiden-samtiger Street-Soul mit Vocal-Features von einem gewohnt-gediegenen Talib Kweli oder einer überraschend-überragenden Ms Dynamite, die allen Babos den Turban vom Kopf zu pusten wissen. Wenn Kreuzberg Klein-Istanbul ist, heißt Hamburg-Hausbruch jetzt Klein-Kabul.