Review

Biosphere

Dropsonde

Biophon • 2020

»Dropsonde« erschien im Jahr 2006 beim britischen Label Touch und stellt im Backkatalog des norwegischen Ambient-Techno-Pioniers Geir Jenssen eine Anomalie dar. Wie sonst auch bei Biosphere dominieren zwar Metaphern aus dem Bereich der Natur die Tracktitel und oft wird die Umwelt über den dezenten Einsatz von Field Recordings hörbar gemacht. Doch ist »Dropsonde« in erster Linie von Jazz inspiriert, loopt die luftigen Schläge eines Drummers, abstrahiert Blechbläser zu getragenen Harmonien oder formt kleinste Klangfitzel zu ruckeligen, zirkulären Strukturen um. Das Besondere an diesem Album ist, wie die Dominanz des Hier und Jetzt durchbricht, auf welcher der Jazz fußt. Das Direkte, Lebendige, Authentische wird in Schleifen zu entzeitigten Figuren abstrahiert. Doch bleiben die emotionalen Qualitäten und klanglichen Eigenheiten erhalten, schmeckt und riecht selbst in den melancholischen Tönen von Stücken wie »People Are Friends« noch alles nach Jazz. Zwischen Bohren & der Club of Gore und Jan Jelinek hat wohl niemand sonst dermaßen meisterhaft ein ganzes Genre einer radikalen Neuinterpretation unterzogen. Damit aber nicht genug kommt die Neuauflage von »Dropsonde« mit sieben Bonus-Stücken daher, darunter alternative Takes von unter anderem dem Highlight »Birds Fly by Flapping Their Wings« und Stücken, die dem ursprünglichen Album in nichts nachstehen, es sogar um ratternde IDM-Rhythmen, knusprigen Noise und noch viel mehr wunderlichen Jazz-not-Jazz-Ambient erweitern. »Dropsonde« stellt überhaupt eine Anomalie dar, und zwar eine betörend schöne.