
Jazz, Gospel, VORFAHREN, sprechende Geister: Die Grundpfeiler dieser Platte wirken 2025 naheliegend, in einer Form auch ausgehöhlt. Aber macht hier keinen Fehler, The Descendants Of Mike And Phoebe - A Spirit Speaks (og 1974) ist ein außergewöhnliches Album, eines der herausragenden im herausragenden Katalog von Strata-East. Es geht hoch und runter, und höher und höher, hier wird wirklich Erde umgegraben und Himmel aufgerissen, das Spirituelle ist noch längst kein Etikett sondern tiefste Empfindung. Und wie die Balance stimmt! Wie zutiefst ausgewogen die Gesamtgeschichte dieses Albums unter seinen mitreißenden Wellen ist. Die Neuauflage kommt mit bislang unveröffentlichten Fotos und ausführlichen Liner Notes.
Pippo Kuhzart
Hit Me Hard and Soft, das letzte Studioalbum von Billie Eilish, zeichnete sich durch Überleitungen und wiederkehrende Motive aus, hatte etwas Elegantes, gleichzeitig etwas Großes – und wirkte trotzdem niemals drüber oder totgedacht. Eilish und ihr produzierender Bruder Finneas wollten ein epochales Album erschaffen – und haben’s geschafft.
Diese Veröffentlichung enthält Liveaufnahmen von vier verschiedenen Tracks aus Hit Me Hard and Soft, die den pompös-unaufdringlichen Vibe des Albums weiterdenken.
Lennart Brauwers
Das vielleicht populärste Album des großen, mürrischen, brillanten Bob Dylans. Das Cover hat sogar heute, in der Jetztzeit, 2025, einen, aua, Social-Media-Trend inspiriert: Beim Bob-Dylan-Core laufen performative Males mit eingezogenen Schultern und fürs Wetter tendenziell zu schlecht gefütterten Jacken durch großstädtische Szenerien. Album ist also bekannt. Selten ist es auch nicht. Hier aber erscheint es das erste Mal, wie es ursprünglich gedacht war. Neben den Welt-Bangern »Blowin In The Wind«, »Hard Rain«, »Don’t Think Twice« und Co. sind auf der RSD-25-Variante vier Songs mit drauf, die kurz vor der ursprünglichen Veröffentlichung von The Freewheelin’ Bob Dylan noch vom Album genommen wurden.
Pippo Kuhzart
Schwer, Curren$ys Karriere so richtig in der Rap Hall Of Fame einzuordnen. Irgendwie war er lange da, irgendwie war er auch mal hot, aber man musste schon wirklich Rap-Fan sein, um seine Relevanz mitzuschneiden. Entscheidend ist: Er war sehr präsent, als das Internet noch ein guter Ort war, nein: als das Internet zwischenzeitlich DER BESTE Ort war. Pilot Talk II erschien in der goldenen Ära der Blogs, 2010. In der Form ist das Album bislang übrigens auch nicht zu haben gewesen: Damals war es nur digital und auf CD erschienen, fürs Vinyl musste man bislang ein ganzes Box-Set erstehen.
Pippo Kuhzart
Seit den 1990ern mischen G. Love & Special Sauce Hip-Hop mit Delta-Blues und laid-back-Funk – »Hip-Hop Blues«, wie sie es selbst nennen. Ode To R.L. knüpft an diese Hybrid-Tradition an und ehrt den Hill-Country-Bluesman R.L. Boyce mit einer spontanen Allstar-Session in Mississippi, aufgenommen im legendären Zebra Ranch Studio. Entstanden ist ein warm vibrierendes Zeitdokument, das der Geste des Jams wieder Gänsehaut verleiht – ein Tribut, der Vergangenheit und Gegenwart des Blues auf lebendige Weise miteinander verschränkt.
Ania Gleich
Auf dieser weitreichenden Compilation finden sich zwölf Raritäten aus dem dBpm Records-Katalog von Jeff Tweedy und seiner legendären Band Wilco – viele davon erstmals auf Vinyl erhältlich. Dass Tweedy nicht nur einer der tiefgehendsten Songwriter seiner Generation ist – man höre die Solo-Versionen fantastischer Tracks wie »Everyone Hides« oder »Say You Love Me« –, sondern auch ein facettenreicher Performer, zeigt etwa die Wilco-Coverversion von »Don’t Let Me Down« der Beatles.
Lennart Brauwers
21 Jahre lang war Matt Berninger die Stimme von The National, bevor 2020 sein Solo-Debütalbum erschien. Im Mai 2025 folgte Get Sunk. Die Live-Platte Get Sunk At Union Chapel (28.11.2025) verbindet beide Werke und beginnt – wie Get Sunk – mit den durchgängigen Synthesizern von »Inland Songs«, über die Berninger melancholisch singt. Allein wirkt er verletzlicher als in seiner Rolle als Frontmann. »Serpentine Prison«, aus seinem gleichnamigen Debüt, verarbeitet seine Depression – getragen von Gitarrenriffs, die die gedrückte Stimmung des Jahres 2020 spiegeln. »Times of Difficulty« holt dich zurück ins Jetzt: Die Gitarre klingt heller, seine Stimme ebenso.
Klaudia Lagozinski
Der amerikanische Trompeter Longineu Parsons, Schüler und Weggefährte von Nat Adderley, verband auf seinem 1980 erschienenen Album Longineu Pariser Jazz-Finesse mit der rohen Energie des Funk. Hier brennt der Geist von Coltrane, Bitches Brew und Florida Blues – elegant und kompromisslos zugleich. Das rare Original gilt längst als Sammlerschatz; die RSD-Reissue bringt diesen intensiven, genreübergreifenden Moment mit satter Wärme und neuem Glanz endlich wieder in analoger Form zum Klingen.
Ania Gleich
»Big Poppa« markiert den Moment, in dem The Notorious B.I.G. den Sound des East-Coast-Hip-Hop neu justierte – laid-back, luxuriös, aber mit jener Schärfe, die ihn unverwechselbar machte. Der Track verkörpert Biggies Balance zwischen Straßenpoesie und einem Sound, der mühelos vom Underground in die Charts glitt. Über butterweichen G-Funk-Beats entfaltet sich seine unverkennbare Stimme. »Big Poppa« ist mehr als ein Hit – ein Wendepunkt, an dem Rap elegant, selbstbewusst und smooth wurde. Die limitierte Recycled Red Vinyl Edition zum Record Store Day Black Friday 2025 bewahrt diesen Moment Hip-Hop-Geschichte in seiner wohl geschmeidigsten Form.
Wencke Riede
Robbie Robertson war nicht nur der wuchtigste aller Dylan-Gitarristen, führte mit The Band eine der besten Rockgruppen aller Zeiten an, sondern zeichnete auch für viele der Filmmusiken zu den Werken von Martin Scorsese verantwortlich. Seit dem ikonischen Konzertfilm The Last Waltz waren die Karrieren von Robertson und Scorsese eng miteinander verwoben. Ihre Kollaborationen für Meisterwerke wie Raging Bull bleiben unvergessen – und sind auf dieser Veröffentlichung versammelt.
Lennart Brauwers
WITCH, kurz für We Intend To Cause Havoc, waren in den Siebzigern die Speerspitze des sambischen Zamrock – ein psychedelischer Mix aus Rock, Funk und afrikanischer Rhythmik. Fool’s Ride versammelt erstmals ihre raren 7-Inch-Singles aus der Ära um Lazy Bones!!. Die rohen Sounds entfalten dabei ihre hypnotisierende Wirkung auf tiefviolettem Vinyl. So erscheint ein Stück Musikgeschichte, das zeigt, wie grenzenlos Rock klingen kann, wenn er außerhalb seiner Zentren entsteht – eine Rebellion, die sich ekstatisch aus der Vergangenheit in die Gegenwart streckt.
Ania Gleich
Golden Flower: Live in Sweden öffnet ein Fenster in die kreative Weite von Yusef Lateef. Zwei bislang unveröffentlichte Live-Sessions aus den Jahren 1967 und 1972, aufgenommen in Schweden und nun erstmals auf Vinyl erhältlich, zeigen einen Künstler, der Jazz als ganzheitliche Erfahrung begreift. Lateefs Konzept des »autophysiopsychic sound« – Musik als Ausdruck von Körper, Geist und Seele – wird hier greifbar. Mit Saxofon und Flöte verwebt er Post-Bop, afrikanische und östliche Einflüsse zu einer tief schwingenden Klangsprache zwischen Spiritualität und Groove. Kein nostalgischer Rückblick, sondern ein von intensiven Live-Momenten getragenes, lebendiges Dokument – und ein seltener Schatz im Kosmos des Record Store Day.
Wencke Riede